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BSI-Warnung trifft Kaspersky offenbar hart

Bislang ließ sich nur mutmaßen, wie sehr die BSI-Warnung Kaspersky traf. Aktuelle Daten zeigen, dass es die Russen kalt erwischte.

Frau auf Sofa mit Laptop auf dem Schoß
© Karolina Grabowska / Pexels

Für Kaspersky war es ein schweres Jahr. Ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine warnte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor dem Einsatz von Virenschutzsoftware des russischen Herstellers. Konkret empfahl das BSI, entsprechende Programme zu deinstallieren und durch alternative Produkte zu ersetzen.



Denn laut BSI verfüge die Antivirensoftware über weitreichende Systemberechtigungen und muss systembedingt, etwa zum Beziehen von Updates, eine dauerhafte, verschlüsselte und nicht prüfbare Verbindung zu Servern des Herstellers unterhalten. Daher müsse man solchen Lösungen bedingungslos vertrauen können. Das Vertrauen sei im Fall von Kaspersky aber erschüttert. Das Vorgehen militärischer und/oder nachrichtendienstlicher Kräfte in Russland sowie die im Zuge des aktuellen kriegerischen Konflikts von russischer Seite ausgesprochenen Drohungen gegen die EU, die NATO und die Bundesrepublik Deutschland seien laut BSI mit einem erheblichen Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs verbunden. Ein russischer IT-Hersteller könnte offensive Operationen durchführen, selbst gegen seinen Willen. So sei es etwa möglich Zielsysteme anzugreifen oder als Werkzeug für Angriffe gegen seine eigenen Kunden missbraucht zu werden. Alle Nutzer von Kaspersky-Produkten könnten von solchen Operationen betroffen sein.

Kasperskys Beteuerungen ohne Effekt

Kaspersky dementierte umgehend alle Vorwürfe und kritisiert die Entscheidung. „Wir sind der Meinung, dass diese Entscheidung nicht auf einer technischen Bewertung der Kaspersky-Produkte beruht – für die wir uns beim BSI und in ganz Europa immer wieder eingesetzt haben –, sondern dass sie aus politischen Gründen getroffen wurde“, ließ das Unternehmen verlauten. 



BSI-Warnung löste Kaspersky-Kündigungswelle aus

Ob die Anschuldigungen berechtigt sind oder nicht – viele Nutzer haben Kaspersky-Produkten offenbar den Rücken gekehrt. Das zeigt eine Untersuchung des Internet-Dienstes Aboalarm, die IMTEST exklusiv vorliegt. Die Daten des Kündigungsdienstes machen deutlich, dass viele deutsche Kunden Ihre Kaspersky-Abos aufgrund der Warnung wohl gekündigt haben: Direkt nach der BSI-Warnung im März explodierten die Kündigungen von Kaspersky-Abos förmlich auf mehr als das Siebenfache (+626 Prozent). Seitdem ist das Kündigungsvolumen bei Kaspersky weiterhin erhöht und liegt mit +175 Prozent deutlich über dem Vergleichswert des Vorjahres (siehe Grafik).

Kündigungen bei Kaspersky durch BSI-Warnung
Deutlich zu sehen: Nach der BSI-Warnung im März schnellten die Kündigungen bei Kaspersky in die Höhe. © Aboalarm

Kündigungswellen auch in anderen Branchen

Die Erhebungen demonstrieren anschaulich, dass insbesondere sicherheitsbewusste Kunden auf amtliche Warnungen erfahrungsgemäß sensibel reagieren und ihre Abos abbestellen. Das Kündigungsaufkommen schnellt dann in die Höhe und pendelt sich danach auf erhöhtem Niveau ein. Die Zahlen von Aboalarm sind dafür ein gutes Stimmungsbarometer. Das beweisen Beispiele aus anderen Branchen:

  • Im Digital-Segment erlebten Online-Dienste für Streaming, Hörbücher oder Kochboxen erst einen regelrechten Corona-Boom. Dann stiegen die Kündigungen der Zuhause-Abos nach dem Ende der Lockdowns rasant. So verzeichnete Aboalarm in der ersten Jahreshälfte 2021 eine Verfünffachung der Kündigungen bei Kochboxversender Hellofresh (+402 Prozent) und fast eine Verdreifachung bei der Hörbuch-Plattform Audible (+166 Prozent).
  • Bei Banken schnellen die Kündigungen zwischen Gebührenankündigungen und -einführungen in die Höhe. Nachdem die Commerzbank im April 2021 das Ende des kostenlosen Girokontos ankündigte, stiegen die Vertragsbeendigungen über Aboalarm in den sieben Folgewochen auf mehr als das Neunfache (+813 Prozent). Als die ING im Jahr 2020 Schluss mit dem bedingungslosen Gratis-Konto machte, hielt die Kündigungswelle mit fast sechsmal so vielen Kontokündigungen über 13 Wochen an (+493 Prozent, jeweils gegenüber den Vorwochen).
  • Außerdem spannend für alle Autofahrer: Zum Ende der Kfz-Wechselsaison im November steigt das Kündigungsvolumen von Kfz-Versicherungen erfahrungsgemäß auf das Achtfache des Jahresdurchschnitts. Vier von fünf Kündigungen von Kfz-Versicherungen werden allein im Oktober und November getätigt. Der Grund: ein sinkendes Preisniveau, das von August bis in den November hinein um etwa vier Prozent zurückgeht.
Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.