Dating-Portale verändern die Suche nach einer festen Partnerschaft grundlegend. Doch welche Auswirkungen haben Persönlichkeitstests und Matching-Punkte auf das Kennenlernen? Sind Partnervermittlungen vielleicht sogar besser als ihr Ruf? Und führen Paare, die sich online kennengelernt haben, sogar die besseren Beziehungen? Angelika Völkel berät in ihrer Praxis in Berg am Starnberger See Singles und Paare und berichtet IMTEST von ihren Erfahrungen.
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Welche Plattformen lohnen sich?
IMTEST: Mit welcher Erwartungshaltung sollte ich als Single an die Partnersuche im Internet herangehen?
Frau Angelika Völkel: Egal, ob im Internet oder in der Realität: Je mehr man bei sich selbst ist, desto bessere Kontakte zieht man an. Die Erwartung sollte immer sein, dass man bereit ist, an sich selbst zu arbeiten. Anders ausgedrückt, muss man selbst “der Richtige” sein und nicht der andere. Das Portal ist dabei irrelevant. Ich kenne Paare, die sich über Tinder kennengelernt haben und absolut stabile Beziehungen führen und auch heiraten. Ein Paar hat jetzt zwei Kinder, das andere Paar ist vor kurzem zusammengezogen. Man kann den Mann oder die Frau des Lebens genauso auch beim Einkaufen an der Kasse kennenlernen. Ich denke, es ist viel wichtiger, bereit zu sein, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Das klingt vielversprechend! Können Sie auch von Nachteilen berichten, die die Partnersuche auf Dating-Portalen mit sich bringt?
Der erste Eindruck, den ein Mensch bei einer echten Begegnung bekommt, ist sehr, sehr wichtig. Über unsere Intuition sind wir seit Jahrtausenden dazu imstande, ganz wichtige Merkmale “abzuchecken”. Die Möglichkeit hat man im Internet nicht. Es geht dabei um Ausstrahlung oder auch um den Geruch. Der sagt er zum Beispiel aus, ob die Immunsysteme zusammenpassen, was für mögliche Kinder relevant ist. Im Internet ist es leider auch so, dass viele Menschen lügen, um sich besser oder anders darzustellen, als sie sind. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man über diese Ebene nach einem Partner sucht, ebenso, dass er potenziell auch mit anderen Personen schreibt. Viele halten sich die Entscheidung sehr lange offen.
Könnte das nicht auch genauso im “echten Leben” passieren?
Sicher, wenn ich jemanden im Freundeskreis kennenlerne, kann der auch offen für andere sein. Aber das muss nicht so gezielt und systematisch sein wie bei der Suche im Internet. Seltsamerweise haben viele auch gerade bei Dating-Portalen die Haltung: “Ich bezahle dafür, also will ich eine Gegenleistung”, und suchen dann wirklich weiter. Und ich muss mich im Internet einfach mehr schützen. In der Realität kriege ich schnell wesentliche Informationen des Gegenübers. Wenn ich jetzt monatelang mit jemandem schreibe, der weit entfernt wohnt, kann viel Zeit vergehen. Das ist anders beim Erstkontakt in der realen Welt. Da weiß man sofort: Kann ich denn “riechen” oder nicht? Gefällt mir das Äußere oder nicht?
In den Dating-Portalen werden im Vorfeld viele Informationen zu generellen Lebensvorstellungen oder Gewohnheiten abgefragt. Lernt man sich in einer Bar kennen, kann es sein, dass so etwas erst viel später zur Sprache kommt. Würden Sie sagen, dass solche Filter dennoch einen Vorteil bringen?
Im echten Leben spielt das keine Rolle, denn: Was man über sich selbst denkt und haben möchte oder glaubt, geben zu können, ist das eine. Was man dann real darstellt oder geben kann, ist das andere. Ich glaube, die Urgeschichte hinter jeder Liebesbeziehung ist, dass der Mensch sich maximal erweitern und wachsen will. Manchmal ist es auch einfach gut, wenn das Gegenüber andere Themen mitbringt, die einen herausfordern. Insofern denke ich, dass man essenzielle Themen in der realen Welt auch schnell abklären kann. Und im Internet gibt es auch genug Negativbeispiele: In einem Fall hat ein Mann in sein Profil einen expliziten Kinderwunsch geäußert. Das Paar ist dann über Parship zusammengekommen und irgendwann kam es zu einer brenzligen Situation, in der sie nicht wusste, ob sie jetzt schwanger ist oder nicht. Dann hat sich herausgestellt, dass der Kinderwunsch des Partners doch nicht so begründet war.
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Würden Sie insgesamt sagen, dass es im Laufe der Beziehung eigentlich gar keinen Unterschied mehr macht, wie man sich kennengelernt hat?
Für die Romantik ist es wahrscheinlich schön, zu sagen: “In dem Park haben wir uns kennengelernt, da gehen wir einmal im Jahr hin.” Aber letztlich ist es auch ein großer Segen, dass wir unsere Möglichkeiten über das Internet erweitern können und sich Leute kennenlernen können, die beispielsweise Tag und Nacht arbeiten, um das etwas überspitzt zu formulieren. Ich denke, letztlich macht die Art, wie man miteinander lebt und wie sehr man bereit ist, an der Beziehung zu arbeiten, die Qualität der Beziehung aus. Heutzutage berichten die Leute auch, dass sie sich über Tinder, Parship oder anderswo kennengelernt haben. Vor 15 oder 20 Jahren war das noch mit Scham behaftet.
Ein weiteres Beispiel ist ein Mann, der ein Start-Up aufgebaut hat. Er hat Tag und Nacht gearbeitet und hatte massive Schlafstörungen. Nachdem er seine heutige Frau kennengelernt hat, hat sein Leben eine positive Wendung genommen. Er geht jetzt regelmäßig ins Bett, ernährt sich anständig und hat zwei Kinder. Sie bringen ihn sogar dazu, dass er abends gar nicht mehr über die Arbeit nachdenkt, weil er ihnen Gute-Nacht-Geschichten vorliest. Er ist wie ist neuer Mensch und es ist ziemlich egal, ob er seine Frau jetzt über Tinder oder im echten Leben kennengelernt hat.
Dating-Portale entwickeln sich ständig weiter und implementieren neue Funktionen wie Verifizierung, Videochats oder andere solcher Werkzeuge. Fällt Ihnen außerdem noch etwas ein, das die Anbieter besser machen können?
Es hängt nicht so sehr an Rahmenbedingungen, vielmehr daran, dass der Einzelne sich dessen bewusst ist, dass es an ihm selbst hängt …
Und solche langfristigen, vergleichsweise kostspieligen Abo-Modelle, die Nutzer unter Druck setzen können? Beeinflussen diese nicht die Partnersuche negativ?
Schon, die Anbieter sind natürlich auch marktwirtschaftliche Unternehmen, die dabei sehr psychologisch arbeiten. Andererseits denke ich, dass Menschen, die diese Tools und Portale nutzen, sich dessen bewusst sein müssen, dass sie ihr Leben selbst gestalten und dass künstliche Intelligenz das nicht abnehmen kann und möchte. Selbst wenn ein Algorithmus herausfindet, dass man zu 99 Prozent zusammenpasst, dann hängt es ja trotzdem von der eigenen Beziehungsfähigkeit ab, wie man das Miteinander gestaltet und wie die Beziehung dann tatsächlich abläuft.
Zur Internetpräsenz von Paartherapeutin Angelika Völkel.
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