Garmin richtet sich mit seinen Smartwatches in erster Linie an Sportler, die bereit sind, für ein besonderes Ökosystem, ausgefeilte Sportfunktionen und eine attraktive Akkulaufzeit etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Die Forerunner-Modelle richten sich etwa vor allem an Läufer und die Fenix/Epix-Reihe an Outdoor-Enthusiasten. Die Venu-Serie hingegen soll mit Sprachassistent sowie Bluetooth-Telefonie im Lifestyle-Segment punkten und Konkurrenten wie der Apple Watch Marktanteile abjagen. Mit der Venu 3 hat Garmin nun eine neue Version vorgestellt. Diese erhält einige Fitness-Funktionen aus dem Premium-Segment wie Body Battery, Erholungsratgeber und einen neuen Herzfrequenzsensor. Es gibt aber auch völlig neue Funktionen: So erkennt die Venu 3 als erste Garmin-Smartwatch Nickerchen und bietet animierte Workouts für Rollstuhlfahrer. Zwei Schriftgrößen sollen zudem das Ablesen des Bildschirms einfacher machen. Wie sich die neue Garmin-Smartwatch im Test schlägt, erfahren Sie hier.
Garmin Venu 3: Neue Hardware
Die Venu 3 gibt es in zwei Größen, mit einem 1,4 Zoll großen Touchdisplay und als kleinere 3S in 1,2 Zoll. Der Preis für beide Varianten liegt bei 499,99 Euro. Für den Test nutzten die IMTEST-Redakteure die größere 45-Millimeter Version, also 1,4 Zoll. In Sachen Hardware gibt es hier im Vergleich zur Venu 2 Plus vor allem zwei Neuigkeiten:
- Herzfrequenzsensor: Die Venu 3 verfügt über den neusten Herzfrequenzsensor aus dem Garmin-Regal, der durch sechs anstelle von zwei LEDs eine genauere Messung ermöglichen soll. Es wird gemunkelt, dass dieser neue Sensor möglicherweise auch EKG-kompatibel ist, offiziell gibt es dazu aber noch keine Informationen. Unabhängig davon zeigen die Testmessungen, dass dies der beste optische Herzfrequenzsensor von Garmin, wenn nicht sogar auf dem Markt ist. Dank der vielen Leuchtdioden kann der Sensor Erschütterungen und Bewegungen besser ausgleichen. Dies macht sich z. B. beim Fahrradfahren bemerkbar, wo er fast immer die gleichen Ergebnisse liefert wie ein Herzfrequenz-Brustgurt (hier: Wahoo Tickr X). Auch bei anderen Sportarten sind die Messungen in der Regel sehr präzise.
- Besserer Bildschirm: Im Vergleich zum Venu 2 Plus ist der Bildschirm nicht nur etwas heller, sondern auch größer (von 1,3″ auf 1,4″). Zudem bietet das AMOLED-Display mit 454 x 454 Pixeln (zum Vergleich: Venu 2 Plus 416 x 416 Pixel) eine höhere Auflösung. Allein dadurch verbessert sich die Ablesbarkeit deutlich. Garmin hat sich aber noch etwas einfallen lassen, was besonders Weitsichtigen zugutekommt: Die Schrift lässt sich um eine Stufe vergrößern. Warum bisher kein anderer Smartwatch-Hersteller auf diese Idee gekommen ist, bleibt ein Rätsel.
Venu 3: Telefonieren am Handgelenk
Wer von der Venu 2 (ohne Plus) umsteigt, freut sich zudem über Lautsprecher und Mikrofon. In Verbindung mit einem kompatiblen Smartphone (Android oder iPhone) kann man dadurch über die Smartwatch telefonieren und das Handy in der Tasche lassen. Neu ist, dass sich über die Smartwatch auch Anrufe initiieren lassen. Dazu gibt zwei Möglichkeiten: über die in Garmin Connect gespeicherten Kontakte oder über kleine Wähltastatur auf dem Bildschirm. Die Audioqualität ist dabei einwandfrei. Wer bestimmte Notfallkontakte in der App hinterlegt hat, kann zudem über einen langen Druck auf Taste oben rechts einen Notfallanruf starten.
In Verbindung mit einem Sprachassistenten, entweder Google Assistant oder Siri, können Sie die Venu 3 auch nach dem Wetter und andere Dinge fragen. Android-Benutzer haben dabei den Vorteil, dass sie Fotonachrichten auf dem Display der Venu 3 anzeigen und Textnachrichten über die Tastatur der Uhr schreiben können. In Sachen Musik gibt es keine großen Überraschungen. Wie viele andere Garmin-Uhren auch unterstützt die Venu 3 sowohl auf der Uhr gespeicherte MP3-Dateien, als auch Streaming-Dienste wie Spotify, Amazon Music und Deezer. Konkret lassen sich in den jeweiligen Streaming-Apps angelegte Playlisten auf die Smartwatch übertragen. Anschließend können diese ohne Smartphone in der Nähe sozusagen offline abgespielt werden. Zwar beschränkt sich die Wiedergabesteuerung auf Anhalten, Überspringen und Lautstärke ändern (das könnte Garmin gerne einmal überarbeiten), trotzdem ist die Musik-Funktion für Outdoor-Aktivitäten wie Laufen oder Radfahren sehr praktisch.
Venu 3: Die neuen Funktionen
Die Entwickler waren offensichtlich sehr fleißig, denn neben schickeren, und zum Teil neu angeordneten Menü, es gibt viele neue Funktionen, die neu im Garmin-Kosmos sind. Hoffentlich werden wir viele davon bald auch in anderen Garmin Smartwatches sehen.
Die Garmin Venu 2 bot bereits eine Reihe von Schlafüberwachungsfunktionen, die es ermöglichten, die Qualität des Schlafs zu bewerten und Tipps zu erhalten, wie der Schlaf verbessert werden kann. Mit der Venu 3 geht Garmin noch einen Schritt weiter und bietet einen neuen Schlaftrainer („Schlafcoach“) an. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Funktionen verfolgt er nun auch die verschiedenen Schlafstadien und erkennt, wann Sie ein Nickerchen machen. Nutzer erhalten sogar Vorschläge für die optimale Schlaflänge. Die Venu 3 liefert darüber hinaus weitere Infos, zum Beispiel wie sich das Training auf das Schlafbedürfnis auswirkt und wie es um die Herzfrequenzvariabilität (HFV) bestellt ist. Vorbildlich in diesem Zusammenhang: Auf Wunsch erläutert die Smartwatch klar verständlich ausformuliert sämtliche Daten und Hinweise.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Garmin schon lange die Nickerchen in der Funktion Body Battery verbucht. Jetzt wird der Nutzen aber im Detail angezeigt. Darüber hinaus zeigt die Venu 3 die positiven und negativen Auswirkungen für alle möglichen Dinge während des Tages an, vom Schlafen bis zum Training, vom Sitzen auf der Couch bis hin zu stressigen Momenten. Apropos HFV: Die Venu 3 verfügt über die gleiche HFV-Erkennung, die Garmin in seinen High-End-Smartwatches wie der Epix eingeführt hat. Das bedeutet, dass die Venu 3 automatisch die Herzfrequenzvariabilität während des Schlafs überwacht. Es dauert jedoch 19 Nächte, bevor es die Smartwatch den Grundwert ermittelt hat und Änderungen anzeigt.
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Jetzt mit Morning-Report
Nach dem Aufwachen liefert die Venu 3 zudem den neuen Morning-Report. Diese Funktion wurde letztes Jahr auf verschiedenen anderen Garmin-Geräten eingeführt und gibt es jetzt für die Venu-Serie. Der Morgenbericht, der direkt nach dem Aufwachen erscheint, hat sich schnell zur Lieblingsfunktion vieler Garmin-Benutzer entwickelt. Er zeigt eine benutzerdefinierte Liste verschiedener Widgets an, beispielsweise Schlafqualität, HFV-Status, Kalendereinträge, Wetter und mehr. Neu ist dagegen die Tageszusammenfassung. Es handelt sich dabei um eine komprimierte Form des Morgenberichts, die eher wie eine Benachrichtigung anmutet und eine kurze Zusammenfassung des Tages enthält. Sie erscheint etwa zwei Stunden vor der Zeit, die als Schlafenszeit eingerichtet wurde. Bei Bedarf lassen sich beide Funktionen natürlich abschalten.
Für die Venu 3 hat Garmin eine neue Funktion namens Rollstuhlmodus eingeführt, die sich über das Benutzerprofil lässt. Dieser optimiert die Daten und Ratschläge für Rollstuhlfahrer, indem er Stöße anstelle von Schritten aufzeichnet und Warnungen vor Gewichtsverlagerungen sendet. Darüber hinaus gibt es eine Reihe rollstuhlspezifischer Sportanwendungen und Workouts, darunter Krafttraining, Cardio, HIIT, Pilates und Yoga. Garmin hat nach eigenen Angaben sogar den Algorithmus so verändert, dass er für Rollstuhlfahrer aussagekräftigere Erkenntnisse liefert und erklärt, wie sich jedes Training auf den Körper auswirkt und wie viel Erholungszeit erforderlich ist.
Sport & Fitness: Ein Schritt nach vorne
Einer der Hauptgründe, warum sich die meisten Menschen für eine Uhr von Garmin entscheiden, sind die Sportfunktionen. Viele dieser Funktionen bringen die Venu 3 näher als je zuvor an die Forerunner/Fenix/Epix-Serie heran. Es gibt aber immer noch deutliche Unterschiede. Zum Beispiel sind viel weniger Metriken rund um Trainingsbelastung und Erholung an Bord (wie Trainingsvorschläge, Trainingszustand, Ausdauerwert, spezielle Laufmetriken, anaerobe und aerobe Belastung). Außerdem fehlen Dinge wie der Triathlonmodus, der Laufstreckenmodus und die Laufleistung. Für Sportenthusiasten sind solche Dinge essentiell, für Breitensportler weniger. Immerhin sind wichtige Metriken wie Erholungstratgeber, Intensitätsminuten, Boday Battery und der Garmin Coach an Bord. Im Vergleich zu dedizierten Sportuhren wie der Forerunner 965 fällt aber die deutlich geringe Anzahl an Sportprofilen auf. Während es bei der Forerunner 60 an der Zahl sind, sind es auf der Venu 3 lediglich 39.
Gut aber: Die Venu 3 lässt sich dank ANT+ und Bluetooth-Smart unter anderem mit smarten Indoor-Bikes, Brustguten und auch Watt-Leistungsmessern koppeln. Durch die Verbindung mit einem Leistungsmesser, zum Beispiel im Rennrad eingebaut, zeigt die Venu 3 die aktuelle Leistung, die Durchschnittsleistung und Leistungszonen an. Ferner unterstützt die Venu 3 die Übertragung der Herzfrequenz sowohl über ANT+ als auch über Bluetooth, sodass sie sich mit Fitness-Apps wie Peloton oder Zwift verbinden lässt. Deswegen und dank des ausgezeichneten Herzfrequenzsensors (siehe oben) macht die Venu 3 unterm Strich bei Sport und Fitness insgesamt eine gute Figur.
Kein Mehrkanal-GPS, kein Problem
Wichtig für Outdoor-Aktivitäten ist eine möglichst präzise GPS-Erfassung: Denn davon hängen unterm anderem Wert wie zurückgelegte Strecke und Geschwindigkeit. Die meisten neuen Smartwatches verfügen aus diesem Grund über modernes Mehrkanal-GPS (GNSS). Ist diese Funktion aktiv, ist die Uhr theoretisch besser in der Lage, bei schwierigen GPS-Bedingungen, etwa in Innenstädten mit hohen Häuser, in dichtem Wald oder in Schluchten, genauere Positionsdaten zu liefern. Erstaunlicher Weise bietet die Venu 3 kein Mehrkanal-GPS. Wie die Testmessung zeigen, ist das aber kein Makel. Denn die Venu 3 zeichnet erstaunlich präzise die Position beim Wandern, Radfahren und Laufen auf. Im direkten Vergleich zu einer Garmin Epix 2 Pro ist die Aufzeichnungsqualität sehr nah dran.
Garmin Venu 3: Akkulaufzeit
Trotz des größeren Displays und der vielen neuen Funktionen der Garmin Venu 3 könnte man erwarten, dass sich die Akkulaufzeit im Vergleich zur Venu 2 verschlechtert hat. Doch das Gegenteil ist der Fall. Garmin spricht davon, dass die Venu 3 im Smartwatch-Modus bis zu 14 Tage ohne Aufladen durchhält. Zum Vergleich: Die Venu 2 hält laut Garmin im gleichen Modus nur bis zu 11 Tage durch. Im Test zeigte sich, dass auch bei hoher Aktivität locker 10 Tage ohne Aufladen möglich sind. Mit aktiviertem Always-on-Display halbiert sich dieser Wert. Im Bereich Akkulaufzeit ist die Venu 3 also sehr gut aufgestellt.
Fazit
Alles in allem ist die Venu 3 ein gelungenes Upgrade. Sie enthält eine Reihe von Hardware- Verbesserungen wie den Herzfrequenzsensor und den besseren Bildschirm. Aber es gibt auch viele neue Sport- und Fitnessfunktionen, wie HFV-Aufzeichnung, den Schlafcoach und den Morning-Report. Potenzielle Garmin-Käufer stecken aber in der Zwickmühle: Wer den Komfort von Telefonie am Handgelenk nicht missen möchte, und in der Garmin-Welt bleiben will, kommt um die Venu 3 nicht herum. Modelle wie die Forerunner 965, Fenix 7 und Epix 2 bieten allerdings noch mehr Sportfunktionen und vor allem Offline-Navigation.
- PRO
- Sehr guter Bildschirm, Telefonieren am Handgelenk, sehr präzise Pulsmessung.
- KONTRA
- Bietet nicht alle Garmin Sport- und Fitnessfunktionen.
IMTEST Ergebnis:
gut 1,9