Vor Kurzem hat Pinoccio im Soulslike Lies of Pi den Unholden einer düsteren Ausgabe der Belle Epoque die lange Nase gezeigt, nun wartet schon der nächste Titel mit ähnlicher Spielmechanik auf leidensfähige Spieler. Mit Lords of the Fallen entführen die Entwickler des neu gegründeten Studios Hexworks gewillte Gamepad-Akrobaten wieder in ein bekanntes High-Fantasy-Szenario, das an Spiele wie Elden Ring oder die Dark-Souls-Reihe erinnert. Wie sich die knallharte Keilerei im Test auf der Playstation 5 schlägt, hat IMTEST herausgefunden.
Produktdetails
- PC, PS5, Xbox Series S|X
- Actionspiel
- 69,99 Euro
- 40 – 100 Stunden
- Ab 16 Jahren
- 45 GB
Der eine kommt, der andere geht
Lange konnte Adyr, der Gott der Schlechtheit und Boshaftigkeit, aus dem Königreich verbannt werden. Nun scheint die Zeit gekommen, seine grausame Rückkehr vorzubereiten. Die Vorhut besteht dabei – wie könnte es anders sein – aus Monstern, Masken und Mutationen. In der Eingangsequenz verliert der Held, der sich dem höllischen Ansturm entgegenstellt, nicht nur seinen Kopf, sondern auch das wichtigste Utensil zur effektiven Scheusal-Jagd: die in geisterhaftem Blau scheinende Umbral-Laterne.
Nun liegt es am Spieler, die zerbrechende Welt wieder zusammenzufügen. Dabei ist die Laterne zwar ein treuer Begleiter, doch Schwert, Lanze, Hammer, Doppelklingen und wahlweise ein Schild zur Verteidigung sind die einzigen Argumente, mit welcher der Höllenbrut effektiv beizukommen ist. Nach Wahl einer der acht verfügbaren Klassen, geht es auch schon daran, sich mit den Gegebenheiten der Steuerung vertraut zu machen. Spieler, die sich bereits durch das ein oder andere Dark Souls oder andere Spiele dieser Machart gequält haben, wissen allerdings sofort, was wie zu tun ist.
Hieb, Block, Ausweichrolle und aus der Ferne tut es auch ein Pfeil oder Zauberspruch. Schon liegen die Unholde im Staub – und lassen im Idealfall nicht nur das kostbare Zahlungsmittel, sondern auch den ein oder anderen nützlichen Gegenstand liegen. Zwei Dinge sind im Kampf dabei von größter Wichtigkeit. Zum einen sollte das Gewicht der Spielfigur nicht über einem gesunden Mittelwert liegen, um möglichst flink unter den Angriffen der Gegner abzutauchen, zum anderen sollte das Timing für eine perfekte Parade so gut wie möglich gelingen. Das Schild – oder die wahlweise per Knopfdruck zweihändig geführte Waffe – muss genau in dem Augenblick seine schützende Kraft entfalten, in dem der Angriff sonst unangenehm auf der Rüstung des Spielers einschlagen würde. Passt der Zeitrahmen, wird die Ungeheuerlichkeit aus dem Gleichgewicht gebracht und ein krachender Finisher sorgt für dann Ruhe.
In Lords of the Fallen ist das Zeitfenster für die Parade, genau wie die kurze Unverwundbarkeit bei einer Ausweichrolle, äußerst großzügig bemessen. Was zwar hilft, aber den Spieler nicht davor schützen kann, zahlreiche Bildschirmtode zu erleiden. Denn Lords of the Fallen ist zwar etwas anschmiegsamer als seine großen Vorbilder, im Kern jedoch immer noch ein äußerst forderndes Actionspiel. Das gilt besonders für Stellen, die stark herausstechen, was den Schwierigkeitsgrad angeht.
Auf nach Axiom und Umbral
Die Welt der Lebenden, die hier Axiom genannt wird, erinnert frappierend an die Gegenden, die Freunde des Genres schon hundertfach durchwandert haben. Mächtige Burganlagen, modrige Keller, geheimnisvolle Wälder, giftige Sümpfe und brennende Dörfer gehören zur Grundausstattung. Dabei hat jede Umgebung natürlich eine eigene Monster-Riege, die dem Spieler ans Leder will. Kleine, keulenschwingende Ritter, große Ritter mit flammenden Zweihändern oder schlurfende Zombies sowie garstige Zauber-Gnome, die aus der Ferne mit Lichtblitzen feuern, sind das erwartbare Standard-Repertoire. Die Umgebungen sind hübsch verwinkelt, laden zum Erkunden ein und vielleicht springt dabei die ein oder andere Schatzkiste oder eine praktische Abkürzung als Belohnung heraus. Doch schon früh offenbart sich dem geneigten Monsterjäger, dass da noch mehr sein muss, als es die Augen vermuten lassen. Also was hat es denn nun mit der Umbral-Laterne auf sich, die der mutige Recke am Gürtel mit sich führt?
Dem tragbaren Mini-Leuchtturm kommen im Spielverlauf vier wichtige Aufgaben zu, die von den Entwicklern größtenteils sehr gekonnt in den Ablauf implementiert wurden. Denn einmal per R2-Taste empor gehoben, wird der Spieler mit den Umrissen der Parallelwelt Umbral konfrontiert – und die könnte kaum abscheulicher sein. Steinige Tore sind im fahlen blauen Licht, Säulen aus Gebeinen, einstmals unsichtbare Stege aus den Knochen der Wirbelsäule eines gefallenen Riesen zeigen sich und neben fauchenden Windgeräuschen ist das Klagelied der Toten allgegenwärtig. Per Knopfdruck ist es jederzeit möglich komplett in diese Albtraumwelt abzutauchen, so weitere Überraschungen und geheime Wege zu finden. Doch Vorsicht: Der lebende Held ist den Dämonen des Totenreichs Umbral ein Dorn im Auge.
Neben den Monstern, die sich gleichzeitig in Axiom und Umbral tollen, gibt nach der Reise ins Reich des Unglücks noch weitere, geisterhafte Wesen, die dem Spieler das Lebenslicht auspusten wollen – und es werden immer mehr, je länger sich der Spieler in Umbral aufhält. Dem nicht genug: Gelingt es nicht innerhalb von rund zwanzig Minuten, eine Statue zu finden, die eine Rückreise nach Axion ermöglicht, wird es richtig ungemütlich. Dann bringen die Schatten Gegner hervor, gegen die ein erfolgreicher Kampf so gut wie unmöglich ist. Zweites Problem: Stirbt der Spieler in der unheilvollen Parallelwelt, ist das Bildschirmleben dahin. Ein neuer Anlauf vom letzten Leuchtfeuer die Konsequenz.
Ich geh mit meiner Laterne
Die dritte wichtige Aufgabe, die der magischen Funzel zu entlocken ist, wäre das Herausreißen gegnerischer Seelen, um schwierige Kämpfe zu verkürzen oder sich eine kurze Verschnaufpause zu verschaffen. Also Lampe hoch, Gegner anvisieren und per R2-Taste kann der Kreatur nun die Seele aus dem Körper gezogen werden. Die monströse Hülle ist dann für rund drei Sekunden von der Rolle, genug Zeit, um auf die blaue Silhouette einzudreschen und für empfindlichen Schaden zu sorgen, bevor der Wüstling wieder Herr seiner Sinne wird. Das funktioniert allerdings nur bei normalen Gegnern, Endbosse erleiden bei dem Manöver nur einen Abzug für die Standhaftigkeit. Und endlos einsetzbar ist der Zauber natürlich nicht, erst mit der entsprechenden Ausrüstung und Hilfe des Geister-Schmieds Moulhon, verfügt die magische Laterne später über mehr Ladungen für den Seelenraub und weitere Tricks, die dem Spieler das Leben ein wenig erleichtern.
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Ab und zu sind Gegner nicht zu verletzen, auch da kommt die Laterne zum Einsatz. Denn nur im blauen Licht sind magische Schutz-Geister, die sich an die Monster geheftet haben, sichtbar und können – ein wenig Koordination und Fingerspitzengefühl vorausgesetzt – mit der Lampe unschädlich gemacht werden. Dann funktioniert der Waffeneinsatz auch wieder normal und es kann weitergehen. Dumm nur, wenn das so geschützte Monster auf einer wackeligen Plattform steht und den Spieler mit Wurfgeschossen eindeckt. Die Entwickler haben sich sichtlich Gedanken darüber gemacht, wie die Funktionen der Lampe möglichst fies und gemein zum Einsatz kommen können. Das Abwägen zwischen sich in der extrem gefährlichen Parallelwelt zu bewegen oder eher entspannt durch die Realität zu stapfen, motiviert und drückt Lords of the Fallen einen eigenen Stempel auf.
Das ist auch bitter nötig, denn so gut wie alle anderen Spielelemente sind so frech aus den Meisterwerken der Genre-Erfinder von From Software geklaut, dass fast eine Plagiatsklage durchgehen würde. Einerseits natürlich für Fans eine tolle Sache, der DLC zu Elden Ring erscheint erst im nächsten Jahr und von einem Dark Souls 4 wagt noch niemand zu träumen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass gestählte Souls-Jäger dann – bis auf die Laternen-Features – alles schon x-mal zu Gesicht bekommen haben, auch wenn einige Monster-Kreationen wirklich sehr gelungen sind und dem Spieler selbst in den schwierigsten Situationen noch ein Lächeln abringen können.
Ein Gegner, der sich nach einer erfolgreichen Attacke als “Strafe” jaulend mit einem Neunschwänzer bearbeitet, gab es bis jetzt zumindest noch nicht zu sehen. Die Endbosse sind wiederum fast allesamt nach Schema F designed, auch hier gilt als Faustregel: Je kleiner, desto schwieriger zu besiegen. Oft steht dem Spieler allerdings auf dem Pfad zum Sieg nicht nur das ein oder andere Angriffsmanöver im Weg, auch die Technik kann dem Spielspaß einen Strich durch die Rechnung machen.
So schön, ruckelig
Zum ersten Mal kommt bei Lords of the Fallen die neue Unreal Engine 5 in einem Soulslike zum Einsatz. Das Ergebnis kann sich in weiten Teilen mehr als sehen lassen. Die Beleuchtung und der schon fast überbordende Detailgrad der verschiedenen Umgebungen sorgt für offene Münder und eine perfekt-bedrohliche Atmosphäre. Das gilt allerdings nur für den Zeitraum, in denen die Bildwiederholfrequenz von 60 Bildern pro Sekunde im Performance-Modus auch wirklich anliegt – und das ist in der aktuellen PS5-Version des Spiels leider die Ausnahme. Wenn in Umbral mehr als zehn Gegner gleichzeitig nach dem Leben des Spielers trachten und dieser es noch wagt mit Volldampf durch die Umgebung zu wetzen, dann ruckelt das Spiel nicht nur stark, es wird gar zu einer echten Diashow, in der Standbilder hintereinander platziert sind.
Dieses technische Manko kann und darf – nicht zuletzt bei der Betonung auf gutes Timing und exakt anzubringende Manöver – nicht sein und verdirbt dem Titel mehr von der sonst beeindruckenden Technik, als man annehmen möchte. Davon sind leider auch die Bosskämpfe nicht ausgenommen: Bei einigen der übleren Sorte kann der Spieler entweder einen Online-Freund oder einen CPU-Begleiter mitnehmen, was zur Folge hat, dass auch diese langen und schweren Kämpfe von heftigen Ruckeleinlagen geplagt sind. Schade! Ein weiterer Umstand, der einigen Spielern sauer aufstoßen könnte, ist die Tatsache, dass das gemeinsame Spielen mit einem Freund nicht bedeutet, das Abenteuer zusammen zu erleben. Stattdessen wird nur dem Host der Session das Vorankommen gutgeschrieben, der Helfer darf dann wieder dort einsteigen, wo er herbeigerufen wurde. Das geht besser! Und dass das Online-Spielen zur Folge hat, von nervigen PvP-Invadern zusätzlich aufs Nervenkostüm zu bekommen, ist ebenfalls fragwürdig.
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Fazit
Für das Erstlingswerk eines Studios ist Lords of the Fallen sicherlich aller Ehren wert. Ein hübscheres Spiel, das die erfolgreiche From-Formel kopiert, gab es bis jetzt noch nicht, auch wenn die grandiose Optik aktuell noch teuer erkauft wird und das Spiel mit großen technischen Problemen zu kämpfen hat. Sonst stimmen Spielgefühl, das Handling der unterschiedlichen Waffen, die Animationen der Gegner und auch der Schwierigkeitsgrad ist zwar etwas niedriger als bei den Vorbildern, bietet dennoch genug Raum für Frust, Verzweiflung und ausufernde Grinding-Runs, die absolut notwendig sind, um die verschiedenen Attribute der Spielfigur zu verbessern.
Trotz der guten Ideen, die mit dem Einsatz der Umbral-Laterne ins Geschehen finden, haben Genre-Fans aber alles hier Gebotene schon einmal gesehen – ein paar Innovationen mehr hätten es am Ende gerne sein dürfen. So bleibt ein hübsch anzusehender, frecher Souls-Klon, der für geduldige und frustgestählte Spieler einen willkommenen Teppich des Grauens ausrollt, um die dunkle Jahreszeit zu beschreiten.
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- PRO
- Hübsche, stimmungsvolle Optik, viele verschiedene Gegner-Arten, faires Zeitfenster beim Parieren und Ausweichen.
- KONTRA
- Grobe technische Probleme, beschnittener Koop-Modus, sehr viele bereits bekannte Spielelemente.
IMTEST Ergebnis:
gut 2,3