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Pixel Watch 2 im Test: Google unter Druck

Die Pixel Watch 2 macht vieles besser – aber bekannte Schwächen bleiben.

Google Pixel Watch 2 auf weißem Grund.
© Google

Wenn ein Unternehmen wie Google seine erste Smartwatch vorstellt, darf man viel erwarten. Doch überraschenderweise war die erste Pixel Watch kein großer Wurf. Während die smarten Fähigkeiten mit einem prall gefüllten App Store, guten Messaging-Funktionen und Telefonieren am Handgelenk auf ganzer Linie überzeugten, hinterließen die Fitness-Funktionen im Test einen unfertigen Eindruck. So fehlen gängige Funktionen wie Auto-Pause und automatische Trainingserkennung. Zudem arbeitete das GPS ungenau, der Prozessor war schwach und einige Funktionen gab es nur nach Abschluss eines kostenpflichtigen Abos. Nicht zuletzt war die Akkulaufzeit unterirdisch. Hat Google bei der neuen Pixel Watch 2 nachgebessert?

Pixel Watch 2 Design
Auf den ersten Blick sieht die Pixel Watch 2 wie der Vorgänger aus. Das Gehäuse besteht aber aus Aluminium statt aus Edelstahl. © IMTEST

Die Apple Watch für Android

Die Pixel Watch 2 kostet 399 Euro und soll die Apple Watch für Android sein. Sie steht aber in starker Konkurrenz zu Samsungs Galaxy Watch-Reihe. Das neue Modell sieht dabei genauso aus wie die erste Version. Neu ist nur, dass das Gehäuse der Uhr aus Aluminium besteht. Warum Aluminium? Einerseits ist die Smartwatch dadurch 5 Gramm leichter. Andererseits verspricht nach Apple auch Google mit der Pixel Watch 2 mehr Nachhaltigkeit. So wird die Pixel Watch 2 nach eigenen Angaben aus recyceltem Aluminium und seltenen Erden hergestellt. Zudem gelobt Google, alte Geräte kostenlos zu recyceln. Nicht ganz ins grüne Bild passt, dass die Pixel Watch 2 unreparierbar ist. Bei einem Riss im Display muss Google beispielsweise die komplette Smartwatch austauschen.



Pixel Watch 2: Nur eine Größe

Ansonsten gibt es beim Design keine großen Überraschungen. Es gibt wie gehabt eine verchromte Krone zum Drücken, zudem befindet sich oberhalb eine Taste, über die sich die zuletzt gestarteten Apps oder – bei längerem Drücken – der Google Assistant zum Leben erwecken lässt. Außerdem befinden sich im Gehäuse rechts und links Mikrofonöffnungen und links ein langer Lautsprecherschlitz. Beide Tasten erfüllen ihren Zweck, ärgerlich ist jedoch, dass sie nicht programmierbar sind.

Pixel Watch 2 Rückseite Ladepuck
Die Pixel Watch 2 lässt sich nur über den mitgelieferten Ladepuck mit Energie versorgen. © IMTEST

Über das Design der Pixel Watch lässt sich wie gehabt trefflich streiten: Die einen finden es schlicht, elegant und edel, die anderen zu rund, klein und feminin. Fest steht aber, dass es sich mit einem Durchmesser von 41 Millimetern um eine zierliche Smartwatch handelt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Smartwatch-Herstellern bietet Google keine Varianten in verschiedenen Größen an. Käufer können wie bisher zwischen nur zwischen drei Farbvarianten wählen: poliertes Silber, mattes Schwarz und Champagner-Gold.

Pixel Watch 2: Kleines Display

Geblieben ist leider auch der breite Displayrahmen, der die tatsächliche Bildschirmgröße auf rund 30 Millimeter reduziert. Selbst im Vergleich zur kleinen 41 mm Apple Watch fällt das Display dadurch sehr klein aus. Unabhängig davon erweist sich das OLED-Display mit seinen 384 x 384 Bildpunkten als scharf und hell (Spitzenhelligkeit von 1000 Nits). Dazu ist die Pixel Watch 2 offiziell nach IP68 wasser- und staubdicht sowie 5 ATM wasserdicht, was bedeutet, dass sie eine Tauchtiefe von bis zu 50 Metern überstehen kann.

Pixel Watch 2: Schneller und (etwas) ausdauernder

Herzstück der Pixel Watch 2 bildet ein modernerer Qualcomm-Chip, der dafür sorgt, dass sie schneller auf Wischen, Tippen, Scrollen und Anfragen des Assistenten reagiert als ihre Vorgängerin. Stottern oder Verzögerungen, bei einer Wear OS-Smartwatch keine Seltenheit, traten im Test nicht auf.  Der größere Fortschritt liegt jedoch in der Akkulaufzeit. Es ist jetzt realistisch, dass die Smartwatch mit aktiviertem Always-on-Bildschirm einen ganzen Tag oder sogar ein paar Stunden länger durchhält. Das ist zwar immer noch verhältnismäßig wenig, aber immerhin ein Fortschritt. Die erste Pixel Watch hielt mitunter keinen ganzen Tag durch. Beim Sport ist die Pixel Watch 2 ebenfalls kein Dauerläufer. Im GPS-Betrieb ist nach rund sechs Stunden Feierabend.

Ebenfalls kritikwürdig: Google liefert die die Pixel Watch 2 mit einem neuen proprietären Ladegerät aus. Zwar lädt das neue Ladegerät die Uhr schneller auf (ca. 80 Prozent Akku in 45 Minuten), aber dadurch passt das Ladegerät der letztjährigen Pixel Watch nicht mehr. Dazu kommt, dass die Smartwatch kein induktives Laden unterstützt und so stets mit dem Ladekabel hantieren muss. Das ist bei etwa bei der Apple Watch besser gelöst.

Pixel Watch 2 jetzt mit Wear OS 4

Die Pixel Watch 2 kommt mit der neuesten Wear OS-Software ausgeliefert. Wear OS 4 arbeitet nicht nur akkuschonender, sondern hat auch einige neue Apps an Bord. So handelt es sich bei den neuen Apps Gmail und Kalender im Wesentlichen abgespeckte Versionen der Telefon-Versionen. Außerdem gibt es verbesserte Benachrichtigungen, schnelleres und zuverlässigeres Diktieren und eine Sicherheitsfunktion, die einem Kontakt mitteilt, ob man sicher zu Hause angekommen ist.

Screenshots der Pixel Watch 2
Über die Pixel Watch-App lassen sich zum Beispiel Ziffernblätter konfigurieren und überspielen. © IMTEST

Mit der Smartwatch kann man aber noch viel mehr machen. Zum Beispiel die Navigation von Google Maps am Handgelenk nutzen, Google Home steuern und die Kamera des Smartphones auslösen (nicht bei allen Smartphones). Und mit dem Play Store am Handgelenk hat man Zugriff auf unzählige Apps wie Spotify, Strava, x und mehr. Neu ist eine vollständige WhatsApp-App, mit der man ganz einfach vom Handgelenk aus Chats starten oder beantworten kann – das kann nicht einmal die Apple Watch. Zu den neuen und nützlichen Funktionen von Wear OS 4 gehört außerdem die Möglichkeit, die Smartwatch ohne Datenverlust auf ein neues Handy zu übertragen zu können. Außerdem lassen sich mit Google One Backups erstellen und wiederherstellen.

Der perfekte Partner für Android-Smartphones

Auf der Pixel Watch 2 selbst bietet die Software mehr oder weniger die gewohnte WearOS-Oberfläche: Benachrichtigungen lassen sich mit einem Wisch von unten nach oben aufrufen, Schnelleinstellungen mit einem Wisch von oben nach unten. Mit einem Wisch nach rechts oder links blättert man durch die verschiedenen Apps wie Wetter, Navigation, Termine, Schlafdaten, Training, Herzfrequenz und Schritte. Um auf alle auf der Pixel Watch 2 installierten Apps zuzugreifen, genügt wie bei der Apple Watch ein Druck auf die Krone. Hält man die Taste darüber gedrückt, startet der Google Assistant mit der Frage “Hallo, was kann ich für dich tun?“ Alternativ reagiert die Pixel Watch auch auf den Befehl „Hey Google“. Die Interaktion funktioniert in der Regel einwandfrei, solange die Pixel Watch 2 mit dem Internet verbunden ist. Ebenso gut funktionieren Telefonate und Messaging, die in der von IMTEST getesteten 4G-LTE-Version (449 Euro) auch unabhängig vom gekoppelten Smartphone funktionieren. Kurzum: Bei den smarten Funktionen ist die Pixel Watch top aufgestellt (Note 1,0).

Sport & Fitness: Weiter Luft nach oben

Die Pixel Watch 2 ist nicht nur eine Smartwatch, sondern auch ein Fitbit-Gerät. Für die Funktionen des Gesundheits- und Fitnesstrackings benötigt der Nutzer zunächst ein separates Fitbit-Konto und die dazugehörige Fitbit-App, was das Ganze etwas unübersichtlich macht. Erst danach stehen die Fitbit-Funktionen wie Workouts, deren Auswertung und Gesundheitsstatistiken auf der Pixel Watch zur Verfügung. Die Pixel Watch ist nun in der Lage, Aktivitäten Körperwerte und Schlaf zu erfassen und diese Daten an die Fitbit-App zu übertragen. Dabei verfügt sie über nahezu alle Funktionen, die moderne Smartwatches bieten, einschließlich Herzfrequenz-, Herzfrequenzvariabilität, EKG-, und Sauerstoffsättigung. Neu bei der Watch 2 ist der von Fitbit bekannte Hauttemperatursensor. Der Dienst zum Beispiel für die Stressmessung, um Ereignisse aufzuzeichnen und beruhigende Aktivitäten vorzuschlagen, z. B. kontrolliertes Atmen.

Pixel Watch 2 jetzt mit Sicherheitscheck

Eine weitere Neuerung ist der Sicherheitscheck. Wer nach einem nächtlichen Ausflug nach Hause kommt, kann dadurch automatisch seine Notfallkontakte benachrichtigen, wenn man sich nach einer gewissen Zeit nicht meldet. Zusätzlich Es gibt eine zusätzliche Komponente namens „Senden von Notfallinformationen“ die es ermöglicht, seinen Standort selbst dann zu teilen, selbst wenn das Smartphone nicht mit der Uhr gekoppelt ist. Das funktioniert, aber logischer Weise nur mit der teureren 4G LTE-Version der Pixel Watch 2. Zusätzlich ist ein Fitbit Premium-Abonnement nötig (dazu gleich mehr) – ein dicker Minuspunkt. Aus IMTEST-Sicht sollte jeder Nutzer das Recht haben, sich sicherer zu fühlen, nicht nur zahlende Abonnenten.

Screenshots der Fitbit App-
Die Fitbit-App liefert verhältnismäßig wenig Trainingsdaten. Rechts zu sehen: GPS-Aussetzer bei einer Aufzeichnung (gerade Linie). © IMTEST

Aussetzer beim GPS-Empfang

Rund ums Thema Sport hat die Pixel Watch 2 einige Fortschritte gemacht. So gibt es jetzt eine automatische Erkennung für sieben Trainingsarten, Herzfrequenzzonen-Training und die Möglichkeit Tempoziel für Laufaktivitäten vorzugeben. Gut in diesem Zusammenhang: Der neue Sensor erfasst den Puls genauer als der Vorgänger und bewegt sich jetzt auf einem „guten“ Niveau. Beim Thema GPS-Genauigkeit sieht es dagegen nicht so positiv aus. So ist immer noch kein Multibandempfänger an Bord. Trotzdem arbeitet die GPS-Erfassung meist akkurat – vor allem im Vergleich zur ersten Pixel Watch und diversen anderen Fitbit-Produkten. Allerdings gab es im Test auch Aussetzer, bei denen die Pixel Watch 2 das GPS-Signal für mehrere Minuten komplett verlor. Alles in allem sind die Fitnessfunktionen weiter unterdurchschnittlich (Note 3,0). Dafür gibt es weitere Gründe.

  • Wenige Trainingsprofile: Es geht damit los, dass die Pixel Watch lediglich 41 Sportprofile bereitstellt. Dabei sind Exoten wie „Kraftdreikampf“ und „Stand-Up-Padelling“, dafür fehlen beliebte Sportarten wie „Indoor-Rad“, „Fußball“, „Turnen“ oder „Reiten“. Eigene Profile lassen sich nicht anlegen.
  • Auch bei fortschrittlicheren Funktionen wie Laufdynamik, Trittfrequenz, Routenführung und anderen Funktionen, die inzwischen selbst Apple und Samsung zur Verfügung stellen, ist die Pixel Watch 2 schlecht aufgestellt.
  • Funktionen nur im Abo: Viele der fortschrittlicheren Gesundheitsüberwachungsfunktionen von Google verbergen sich hinter einem Premium-Abonnement von Fitbit, das in der Regel eine detailliertere Analyse der Messwerte und verschiedene Coaching-Programme wie Krafttraining, Cardio und Yoga bietet. Das Fitbit wahlweise 8,99 Euro pro Monat oder 79,99 Euro pro Jahr für Daten wie einen Tagesform-Index und erweiterte Schlafanalyse verlangt, ist ziemlich dreist.
  • Ferner gibt es keine Anpassungsmöglichkeiten für die Datenfelder während der verschiedenen Aktivitäten, keine anpassbaren Trainingspläne, etwa für Intervalltraining  sowie verhältnismäßig wenige Infos rund um Geschwindigkeit, Entfernung und Herzfrequenz.

Kurzum: Hersteller wie Garmin, Amazfit, Coros und Polar haben im Bereich Sport- und Fitness wesentlich mehr zu bieten.

Sportarten Google Watch
Warum hat Google ausgerechnet Sportarten wie “Kraftdreikampf” und “Kickboxen” in die sowieso schon dünne Sportprofil-Liste aufgenommen? © IMTEST

Fazit

Mit einem schnelleren Chip und besserer Software hat Google bei der Pixel Watch 2 wichtige Punkte verbessert. Darüber hinaus ist sie klein, leicht, angenehm zu tragen und einfach zu bedienen. Wer allerdings ein größeres Display haben möchte, muss sich anderweitig umsehen, denn die Pixel Watch 2 ist eher klein und passt an schmale Handgelenke, ohne dass es eine Option für eine größere Formate gibt. Ein weiteres Problem für Google ist, dass es die Galaxy Watches von Samsung in verschiedenen Größen und Stilen gibt, und diese Smartwatches genauso viel smarte Features an Bord haben, weniger kosten, kein Abo verlangen und dabei trotzdem mehr Sport- und Fitnessfunktionen bieten.

  • PRO
    • Zusammenspiel mit Android-Smartphones, komfortabel, Gesundheitsfunktionen.
  • KONTRA
    • Weiter schwache Akku-Laufzeit, nur eine Größe erhältlich, schwache Sport-Funktionen.

IMTEST Ergebnis:

gut 2,2

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.