Veröffentlicht inEinzeltests

Cyberpunk 2077: Wenn die Story besser ist als das Spiel

Es gehörte zu den am sehnlichsten erwarteten Spielen überhaupt und ist nun nach fast acht Jahren Entwicklungszeit im Handel – hat sich das Warten auf Cyberpunk 2077 gelohnt? IMTEST hat sich das Spiel auf dem PC angesehen.

Netrunnerin Judy wird bei ihrer Jagd nach lebensrettenden Informationen zur wichtigen Helferin. Vielleicht wird aus Ihnen und ihr sogar ein Paar … (Bild: IMTEST)
Cyberpunk Judy

Produktdetails
  • Preis: 54,89 Euro
  • Spielzeit: ca. 60 Minuten
  • Für: PC, PS4, PS5, Xbox Series S/X, Xbox One

Geld zurück für Konsolen-Version von Cyberpunk 2077?

Momentan ist viel zu lesen und zu hören über Cyberpunk 2077 – und das Wenigste davon dreht sich um Spielinhalte. So ist die Version für Playstation 4 und Xbox One grafisch deutlich schwächer als andere und leidet unter vielen Bugs im Spiel. Inzwischen bietet Entwickler CD Project Red den Käufern sogar an, ihr Geld zurückzubekommen, dabei spielen Sony und Microsoft allerdings momentan nicht mit. Bei der getesteten PC-Version gibt es weit weniger Probleme, ein wirklich fertiges Spiel ist Cyberpunk 2077 allerdings auch hier noch nicht. Das verwundert langjährige Spieler allerdings kaum. Denn auch frühere Spiele des Entwicklers, so gut sie letztendlich auch waren, litten zum Release unter massiven Problemen in vielen Bereichen.

Das ist die Spielfigur in Cyberpunk 2077

Cyberpunk 2077 spielt im namensgebenden Jahr in der kalifornischen Metropole Night City. Sie übernehmen die Rolle von V., einer Spielfigur, die Sie wahlweise männlich oder weiblich machen können – oder auch etwas dazwischen. Dabei sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Spielfigur enorm vielfältig. Von Frisur und Hauttyp über Augen- und Nasenform bis hin zur Stimmlage kann alles individuell eingestellt werden. Sie haben außerdem die Wahl zwischen drei möglichen Historien ihrer Figur – Nomade, Street Kid oder Konzerner – was allerdings keinen großen Unterschied im Spiel bedeutet. Lediglich die erste Mission und Dialogmöglichkeiten in einigen Gesprächen ändern sich dadurch.

Cyberpunk 2077 Charakter verfeinern
Das Gesicht bekommt sogar besonders viele Optionen zur Optik. Augengröße und Farbe, Augenbrauen, Zähne und vieles mehr lässt sich der Regler auswählen.
Cyberpunk 2077 Start
Zu Beginn wählen Sie aus, ob Sie als Nomade, Street-Kid oder Konzerner Ihr Leben verbracht haben – einen großen Unterschied macht das nicht. (Bild: IMTEST)

Cyberpunk 2077: Darum geht’s im Spiel

Die Hauptstory ist aber bei allen gleich: Als Söldner sollen Sie sich einem Fixer beweisen, das sind Mittler zwischen Kunden, die etwas wollen, und Dienstleistern, die etwas möglich machen – wie Sie. Für den Fixer Dexter sollen Sie zuerst bei einer Street-Gang bereits bezahltes High-Tech abholen und damit dann in ein Nobelhotel einbrechen, um einen wertvollen Chip zu klauen, der einem der größten Konzerne der Welt gehört.

Wie Sie feststellen müssen, sind beide Aufträge genauso gefährlich, wie sie sich anhören – und Sie kommen nur mit großer Mühe mit halbwegs heiler Haut heraus. Doch nun stehen Sie auf den Fahndungslisten vieler Freelancer und müssen feststellen, dass Sie dem Tod geweiht sind, wenn Sie nicht zügig eine Lösung für Ihr neues Hardware-Problem finden, das mit einem längst verstorbenen Musiker und Terroristen namens Johnny Silverhand zu tun hat…

Was heißt Cyberpunk?

Cyberpunk ist ein Begriff aus der Science Fiction-Literatur, der einen bestimmten Themenbereich umschreibt. Das ist in der Regel eine dystopische Zukunft, in der Menschen mit Technologie verschmolzen sind Implantate im Körper tragen. Zuerst wurde der Begriff für die Bücher des US-Autors William Gibson verwendet, speziell für dessen „Necromancer“-Trilogie. Hier finden sich viele inhaltliche Ähnlichkeiten zu Cyberpunk 2077, daher ist der Titel für das Spiel auch gut gewählt. Inzwischen sieht die Literatur den Begriff auch als Beschreibung für eine Mischung aus Science Fiction und düsteren Detektiv-Geschichten, wie von Raymond Chandler und Dashiell Hammett, auch in dieser Beziehung passt der Vergleich gut zum Spiel.

Weltklasse bei Cyberpunk 2077: Die Story

Mehr soll über die Story von Cyberpunk 2077 hier auch nicht verraten werden, dazu ist es zu wichtig, sie selbst zu erleben. Denn wie bereits in ihren vorherigen Spielen wie der Witcher-Trilogie, steht die Story des Spiels im Vordergrund. Und kaum ein Entwickler weltweit ist im Geschichten erzählen derart gut wie das polnische Studio. Die Autoren dort erschaffen mit Night City nicht nur einen lebendigen Mikro-Kosmos, der von den Grafikern auch beeindruckend umgesetzt wurde, sie erzählen auch Storys, die man so in anderen Spielen nicht findet.

So hat sich das Entwickler-Team schon in früheren Spielen von Schwarz-Weiß-Plattheiten verabschiedet und in Cyberpunk 2077 führen sie diese Prämisse zu neuen Höhen. Kaum ein Charakter, der Ihnen in Night City begegnet, hat keine Hintergrund-Story, fast überall treffen Sie auf Zusammenhänge, die sich erst im Lauf des Spiels offenbaren und viele Ereignisse im Nachhinein in ein gänzlich anderes Licht tauchen. Hier kann ein Feind von gestern plötzlich zum Verbündeten gegen einen neuen, gemeinsamen Gegner werden – und umgekehrt. Grundsätzlich gilt aber immer die Regel: Trauen Sie niemandem!

Cyberpunk 2077 Screenshot 2
Night City ist eine Stadt der Sünde: Sex und Drogen gibt es an jeder Ecke, viele Einwohner bestreiten damit ihren Lebensunterhalt. (Bild: IMTEST)
Cyberpunk 2077 Judy
Netrunnerin Judy wird bei ihrer Jagd nach lebensrettenden Informationen zur wichtigen Helferin. Vielleicht wird aus Ihnen und ihr sogar ein Paar … (Bild: IMTEST)

Cyberpunk 2077: Bekannte Dystopie gut geschrieben

Die Hauptstory können Eilige dabei in etwa 20 bis 30 Stunden durchgespielt haben, damit verpasst man aber das eigentliche Prunkstück – das langsame Kennenlernen der Stadt und das Eindringen in ihre Eingeweide. Denn auch viele Nebenmissionen liefern erhellende Infos zu wichtigen Teilen des Spiels – und sind einfach extrem gut geschrieben. Je schneller sich ein Spieler also ans Ende der Geschichte redet und kämpft, desto mehr verpasst er vom Filetstück des Spiels.

Allerdings muss man auch fairerweise sagen, dass für Science-Fiction-Fans, die sich mit filmischen und literarischen Dystopien aller Art auskennen, nicht viel Neues erzählt wird. Die Autoren nehmen häufig Anleihen bei Klassikern des Genres und bauen ihre eigenen Ideen mit ein. Dass Night City vor allen nachts und im Regen extrem an das Los Angeles des Jahres 2019 aus „Blade Runner“ erinnert, ist ebenso deutlich wie die zahlreichen Anleihen bei Shadowrun-Romanen, dem Film „Strange Days“ oder „8 MM“.

Cyberpunk 2077 Screenshot
Das nächtliche Night City hat deutliche Ähnlichkeiten mit dem Los Angeles aus Blade Runner. Wenig verwunderlich, gilt der Film von Ridley Scott doch als wegweisend für Cyberpunk-Optik. (Bild: IMTEST)
Cyberpunk 2077 Karte
Bereits zu Beginn zeigt die Karte im Spiel Händler, Läden und andere nützliche Gebäude an. Im Lauf des Spiels kommen noch Aufträge hinzu, die Sie erledigen können, aber nicht müssen. (Bild: IMTEST)

Story-Fazit: Cyberpunk 2077 unvergleichlich

Das herkömmliche Dystopien-Muster tut der Brillanz der Erzählung, die Sie als Spieler in Night City erleben dürfen, allerdings kaum Abbruch. Denn die mitunter düsteren und blutigen Kapitel der Story von Cyberpunk 2077 bleiben im Gedächtnis. Je tiefer der Spieler in die dunklen Abgründe Night Citys taucht, desto größer ist der erzählerische Schatz, den er heraufholt.

Storylines, die unerwartet ineinandergreifen, Nebenmissionen, die Sie plötzlich mit bekannten Charakteren wieder zusammenführen – und ein extrem cooler und ruppiger Keanu Reeves, der den Charakter von Johnny Silverhand spielt – und in der Originalfassung auch spricht, auf Deutsch hat er die bekannte deutsche Synchronstimme des Schauspielers – das ist alles so hohe Erzählschule, dass da kaum ein anderes Spiel in den vergangenen Jahren heranreicht. Die pulsierende Open World von Night City sucht ihresgleichen. Leider ist nicht alles in Cyberpunk 2077 so gut.

Keanu Reeves verkörpert im Spiel den Musiker und Terroristen Johnny Silverhand, der zwar schon seit 50 Jahren tot ist, Ihnen aber trotzdem gewaltig auf die Nerven gehen kann. (Bild: IMTEST)
Keanu Reeves verkörpert im Spiel den Musiker und Terroristen Johnny Silverhand, der zwar schon seit 50 Jahren tot ist, Ihnen aber trotzdem gewaltig auf die Nerven gehen kann. (Bild: IMTEST)
Cyberpunk 2077 Auto
Am schnellsten bewegen Sie sich mit dem Auto durch Night City. Allerdings sind die Flitzer der Zukunft nicht ganz billig. (Bild: IMTEST)
Cyberpunk 2077 Dialoge
Dialoge mit anderen Charakteren im Spiel laufen über Auswahl-Menüs ab, Sie suchen sich aus den vorgegebenen Möglichkeiten die aus, die Ihnen zusagt. (Bild: IMTEST)
Cyberpunk 2077 Gangs
Manche Street Gangs haben zugunsten körperlicher Verstärkungen ihr menschliches Aussehen weitgehend aufgegeben und wirken fast wie Roboter. (Bild: IMTEST)

Cyberpunk 2077: Das muss der PC leisten

Wer die Story in vollen Zügen genießen möchte, braucht einen PC, der den Anforderungen des Spiels gerecht wird. Die Mindestanforderungen für den PC sehen dabei so aus:

  • Auflösung: 1080p
  • Prozessor: Intel Core i5-3570K, AMD FX-8310
  • Arbeitsspeicher: 8 GB
  • Grafikkarte: Nvidia Geforce GTX 780, AMD Radeon RX 470

Das sind aber nur die minimalen Anforderungen. Von den Entwicklern empfohlen wird ein PC, der Folgendes leistet:

  • Auflösung: 1080p
  • Prozessor: Intel Core i7-4790, AMD Ryzen 3 3200G
  • Arbeitsspeicher: 12 GB
  • Grafikkarte: GTX 1060 6GB, GTX 1660 Super, Radeon RX 590

Wer noch einen passenden Gaming-PC für Top-Spiele sucht, für den hat IMTEST sieben verschiedene Geräte auf ihre Spieletauglichkeit in diesem Vergleich geprüft.

Mittelklasse bei Cyberpunk 2077: Die Kämpfe

Als Söldner in der Stadt haben Sie die Wahl, wie Sie Ihre Kämpfe gewinnen wollen. Es stehen verschiedene Schusswaffen zur Wahl, wer will, kann auch mit Schwert oder Machete auf den Gegner losgehen – oder dessen Implantate hacken und ihm so höllische Schmerzen von innen zufügen. Sie sammeln mit den Missionen Erfahrungspunkte, die Ihnen bei Levelanstieg erlauben, eine Eigenschaft zu erhöhen. Dazu gibt es Vorteilspunkte, die verschiedene Waffengattungen oder das Hacken verstärken. Hier bietet Cyberpunk 2077 üppige Fähigkeiten-Bäume, die sehr individuelle Charaktere ermöglichen.

Einfach macht das die Sache aber nicht. Denn das Kämpfen aus der Ego-Perspektive lässt die nötige Präzision vermissen, die ein Ego-Shooter bietet. Hier wird der Spieler unangenehm daran erinnert, dass er ein Rollenspiel gekauft hat. Die Kämpfe in Cyberpunk 2077 sind gewinnbar, machen aber wegen der schwammigen Steuerung und dem nur schwer zu sehenden Fadenkreuz nicht unbedingt Spaß. Das wird erst im Lauf des Spiels besser, wenn stärkere Waffen Feuergefechte zumindest verkürzen. Denn Gegner attackieren oft aus mehreren Richtungen und das Deckungssystem hat den Namen eigentlich nicht verdient. Gut dass es genug Heilungsmethoden gibt.

Cyberpunk 207 Implantate
Der eigene Körper kann bei Ripper-Docs mit zusätzlichen Implantaten aufgepimpt werden. Höher, schneller, weiter – das geht hier mit Technik statt Training. (Bild : IMTEST)
Bei Händlern können Sie sich nach neuen, besseren Waffen umsehen und bereits erbeutete Schießeisen mit Gewinn verkaufen. (Bild: IMTEST)

Cyberpunk 2077 mit sehr vielen Kampfoptionen

Dazu kommt, dass Cyberpunk 2077 die Spieler mit den Möglichkeiten fast überwältigt. Schon der erste große Kampf in einer Fabrik, in dem Sie neben Schüssen auch Hacks von Netrunnern fürchten müssen, die Sie in Brand setzen können, ohne dass Sie viel dagegen tun können, kostet Nerven. Und bis Sie die Fülle an Optionen wirklich überblickt haben, geht einige Zeit ins Land. Das war allerdings auch bei anderen CD Project Red-Spielen schon so, die polnischen Entwickler haben kein Herz für Spiele-Anfänger, sondern richten sich an erfahrene Gamer.

Und selbst die brauchen deutlich länger als nur ein paar Minuten, bis sie das komplexe Zusammenspiel aus Fähigkeiten, Waffen, Ausrüstung, Verbesserungsmöglichkeiten und Implantaten in Cyberpunk 2077 durchschaut haben. Mit entsprechenden Nachbesserungen könnte das Kämpfen in Night City allerdings noch deutlich besser werden – die Anlagen dazu sind bereits da, nur am Feintuning muss CD Project Red noch schrauben.

Diese Fehler in Cyberpunk 2077 ärgern

Die PC-Version ist hier noch mit einem blauen Auge davongekommen, denn im Gegensatz zum Spiel auf PS 4 und Xbox One gab es im Test keine Abstürze oder Fehler bei Missionen, die deshalb nicht zu Ende geführt werden konnten – bekannte Mängel auf den alten Konsolen. Grafikfehler hingegen zeigt die PC-Fassung von Cyberpunk 2077 leider auch. Mal fehlen Frisuren, mal ganze Gesichter, mal schweben Waffen in der Luft oder bewegen sich an einer völlig anderen Stelle, als sie sein sollten.

Das hindert letztlich nicht am Spielen, zerstört aber doch immer wieder die Illusion, die die dichte Erzählung in Cyberpunk 2077 erschafft und die den Spieler in diese Welt hineinzieht. Wenn der guter Kumpel Jackie plötzlich nur noch aus Augen und Frisur besteht, macht der Dialog mit ihm nicht wirklich Freude. Hier haben die Macher zwar schon eine offizielle Entschuldigung an die Spieler veröffentlicht und Besserung gelobt – die kommt aber wohl nicht mehr dieses Jahr.

Cyberpunk 2077 Grafikfehler
Cyberpunk 2077 Grafikfehler 2

Wenn Ihr alter Kumpel Jackie plötzlich nur noch aus Augen und Frisur besteht, hat der Bug-Teufel zugeschlagen. Diese grafischen Probleme hat auch die ansonsten gut aussehende PC-Version. (Bild: IMTEST)

FAZIT

Eigentlich wäre Cyberpunk 2077 nichts weniger als ein weiterer Meilenstein des polnischen Entwicklerstudios CD Project Red. Und in einigen Monaten oder Jahren wird es das auch sein. Momentan ist das ambitionierte Rollenspiel wegen der zahlreichen Fehler nur gut, aber zum Top-Titel fehlt noch die bessere Spielbarkeit. Die ist allerdings erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit – wer warten kann, bekommt im Frühjahr ein grandios erzähltes Spiel, über das er sich nicht mehr ärgern muss.

  • PRO
    • Die Story und die Welt sind Spitzenklasse.
  • KONTRA
    • Grafikfehler reißen den Spieler immer wieder aus der Welt raus.

IMTEST Ergebnis:

gut 1,8

Markus Fiedler

Markus Fiedler ist freier Journalist und Autor, sein Herz schlägt vor allem für den Bereich Entertainment. Er verbringt seit vielen Jahren einen großen Teil seiner Zeit im Kino oder vor dem Fernseher – und hat damit sein Hobby zum Beruf gemacht. Nach einem abgeschlossenen Volontariat in seiner Heimatstadt Göttingen war Fiedler Gründungsmitglied des Spielemagazins Computerbild Spiele im Jahr 1999 und arbeitete dort 13 Jahre lang als Testredakteur. Seitdem ist er freiberuflich für verschiedene Kunden tätig. Für IMTEST testet er vor allem Technik und Software, mit der man seine Freizeit verbringt: Netflix und Spotify zum Beispiel, aber auch neue Spielekonsolen wie Playstation 5 und Xbox Series X.