Das Warten hat ein Ende – die teuerste Serie aller Zeiten ist da! Worum geht es und wie gelungen ist sie?
Vor fast fünf Jahren, im November 2017, meldete Amazon, dass der Konzern die Rechte an den Anhängen des Herr der Ringe-Romans gekauft hatte – für 250 Millionen Dollar. Eine Serie sollte entstehen, die aus dem sagenhaften Zweiten Zeitalter Mittelerdes erzählen würde, tausende Jahre vor den Ereignissen im Roman und den Filmen von Peter Jackson. Nun ist die erste Staffel endlich fertig und IMTEST hat die beiden ersten Folgen gesehen.
Die Handlung der Serie
Der große Krieg gegen den bösen Gott Morgoth ist vorbei, die Elben haben unter großen Opfern gewonnen. Doch Galadriels Bruder ist auf der Jagd auf Morgoths rechte Hand, den bösen Sauron, ums Leben gekommen. Und deshalb hat die Elbin seinen Platz eingenommen und sucht in allen Winkeln Mittelerdes nach dem Hexenmeister. Immer wieder findet sie Spuren seines Wirkens, doch letztlich zwingen ihre Männer sie, die Suche abzubrechen und ins Elbenkönigreich Lindon zurückzukehren. Dort erweist ihr König Gil-Galad die Gnade, nach Valinor zurückkehren zu dürfen, dem Heimatland der Elben. Doch Galadriel ist mit Mittelerde und Sauron noch nicht fertig …
Die Haarfüße, Vorfahren der Hobbits, leben als Nomaden in Mittelerde und durchstreifen die Natur nach Nahrung und anderen nützlichen Dingen. Als eines Nachts ein Meteor vom Himmel stürzt, ist ausgerechnet die neugierige Nori Brandyfoot in der Nähe. Und macht eine höchst unheimliche Entdeckung …
Zarte Love-Story
In den Südlanden Mittelerdes haben die Elben eine Festung errichtet und schicken ihre Soldaten regelmäßig aus, um ein Auge auf die dort lebenden Menschen zu haben. Denn viele von ihnen haben im Krieg auf der Seite Morgoths gestanden und die Elben trauen ihnen nicht. Der Elb Arondir hat eine etwas andere Sichtweise dazu, denn er liebt die menschliche Heilerin Bronwen – eine Verbindung, die von beiden Völkern geächtet ist. Als die Elben endlich abziehen wollen, weil sie im Süden keine Gefahr mehr sehen, mehren sich plötzlich die Zeichen, dass sich Orks in der Nähe aufhalten, Morgoths Kriegerrasse, die schon seit Jahrhunderten verschwunden sind. Und so ziehen Arondir und Bronwyn gemeinsam aus, um die Gerüchte zu überprüfen …
Der Halbelb Elrond wird von Gil-Galad gebeten, sich mit dem sagenhaften Elbenschmied Celebrimbor nach Eregion zu begeben, um ihm bei seinen Plänen zu helfen. Schnell wird klar, das Celebrimbor die Hilfe der Zwerge brauchen könnte, doch das Verhältnis zwischen den Völkern ist nicht gut. Elrond, der seit vielen Jahrzehnten mit Durin IV, dem Prinz von Khazad-Dum, befreundet ist, macht sich auf den Weg in dieses Zwergenreich um zu vermitteln. Doch das Volk der grimmigen Kämpfer empfängt ihn frostig …
Der Beginn einer großen Saga
Die Serie mit dem sperrigen Titel Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht wird groß – das macht schon der Start mehr als deutlich. Denn in den ersten zwei Stunden der Serie (jede Folge dauert etwa 60 Minuten) gelingt es den Machern der Serie nicht einmal, alle Handlungsstränge – und Orte einzuführen. Die Insel Numenor lässt sich in der allerletzten Sezene von Folge zwei erahnen. Mehr ist von Elendil, Isildur und den anderen Charakteren dort noch nicht zu sehen.
Und dennoch sind beide Stunden vollgepackt mit Handlung. Regisseur J.A. Bayona, der unter anderem Jurassic World: Das gefallene Königreich drehte, springt von Ort zu Ort, um die einzelnen Charakter und Landstriche vorzustellen, die in den kommenden 38 Folgen (fünf Staffeln sind geplant) eine epische Story erzählen sollen. Und das fühlt sich vom ersten Moment auch wie Mittelerde an. Bereits der Beginn, wenn Galadriel, wie in Jacksons Kinofilmen, eine von Bildern unterlegte Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse gibt, erinnert an die Trilogie von Jackson. Und auch später bleiben die detailliert gemachten Sets, Kostüme und Effekte nicht hinter den bekannten Filmen zurück. Die Ringe der Macht war sehr teuer – und das sieht man!
Optisch herausragend
Hier wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Auch wenn manch einem Zuschauer möglicherweise die eine oder andere Aufnahme von Elbenreichen ein wenig zu kitischig scheint – optisch gehört die Serie zum Besten, was es derzeit zu sehen gibt. Ob Gebirge, dunkle Höhlen, lichte Wälder, Menschendörfer oder unterirdische Paläste – die Welt von Mittelerde erwacht hier glaubwürdig zu neuem Leben.
Eine Ähnlichkeit mit “Game of Thrones“, die manche Fans nach Gerüchten über Nacktaufnahmen und ähnliches befürchtet oder erhofft hatten, gibt es jedoch nicht. Zwar ist das Budget in beiden Fällen ähnlich, aber Die Ringe der Macht bleibt seinem Schöpfer Tolkien verbunden. Liebe ist rein, Emotionen werden zart und zurückhaltend erzählt und Sextrieb oder Blutrausch haben in einer solchen Erzählung keinen Platz. Die Serie ist genau das High Fantasy-Spektakel, das Fans des Autors erwarten durften. Selbst die Dialoge sind sprachlich so gefasst, dass sie zu dem passen, was der britische Schriftsteller zu Lebzeiten zu Papier brachte. Die Atmosphäre, die für diese Serie so immens wichtig ist, weil die Welt Tolkiens schon so viele Anhänger mit einer entsprechenden Erwartungshaltung hat, ist absolut gelungen und fühlt sich an wie sie soll.
Mission Impossible gelungen
Dabei hatten die Serienschöpfer J.D. Payne und Patrick McKay eigentlich eine Mission Impossible vor der Brust. Denn sie durften die Vorgeschichte zur Serie, die als eine Art Historienabriss Mittelerdes erst posthum als Das Silmarillion erschien, nicht benutzen, weil die Rechte dafür nicht verkauft werden. Und so bleiben Dinge wie die zwei Bäume zu Beginn der Serie ebenso unerklärt wie der große Krieg. Selbst der Name von Galadriels Bruder fällt nicht.
Auf der anderen Seite stand Warner in den Startlöchern, um jedes Bild aus der Serie mit Argusaugen nach möglichen Plagiaten zu untersuchen. Denn zu große Ähnlichkeiten mit den sechs Filmen durfte es auch nicht geben. Ein Grund, warum die geplante Beratertätigkeit von Peter Jackson schnell wieder einkassiert wurde. Payne und McKay mussten nun also eine Geschichte erzählen, die keinen richtigen Anfang hat, eigentlich wichtige Elemente unerwähnt lassen – und nach eigenem Wunsch auch noch das 3000 Jahre dauernde Zweites Zeitalter auf wenige Jahre zusammendampfen, um dem Publikum nicht nach jeder Staffel einen fast komplett neuen Cast präsentieren zu müssen.
Das geht nicht ohne Abstriche. So finden sich bereits in den ersten zwei Episoden Änderungen, die Tolkien-Puristen wohl dazu bringen werden, voller Trauer oder Wut den Mond anzuheulen. Galadriel ist hier eine junge Kämpferin, als die Tolkien sie nie beschrieben hat. Auch ihre Reise in Richtung Valinor und ein Aufenthalt in Numenor, wie die Serie nahelegt, ist in ihrer fiktiven Biographie nicht festgehalten. Trotzdem spielt Morfydd Clark die hier bereits einige tausend Jahre alte Elbin mit viel Feuer und Leidenschaft, soweit die elbische Natur der Rolle das zulässt.
Wo die Puristen jaulen
Auch die Zwergenfrauen ohne Bart sind vielen Fans ein Dorn im Auge, hat Tolkien das doch anders beschrieben. Diese Tatsache ändert aber nichts daran, dass Durins Gattin Disa, gespielt von Sophia Nomvete, wohl die sympathischste Figur der ersten beiden Episoden geworden ist, so herzlich und witzig. Und selbstverständlich kann man sich auch darüber aufregen, dass mit Arondir ein schwarzer Elb eine Hauptrolle spielt. Seine Rolle leidet allerdings viel mehr darunter, dass die zahlreichen Anspielungen auf Liebe zwischen Mensch und Elb eben nicht erklärt werden dürfen, als unter seiner Hautfarbe.
Dennoch sind die Elben in der Serie nicht perfekt. Denn auffälliger als bei der Farbe der Haut ist das beim Alter. Ein Darsteller wie Charles Edwards, der Celebrimbor spielt, ist bereits über 50 Jahre alt – und sieht auch so aus. Elben altern aber eigentlich nicht mehr, wenn sie erwachsen sind. Und sollten daher stets wie Mitte 20 oder Anfang 30 aussehen – egal, wie alt sie sind. Die Unsterblichkeit dieser Wesen, bei Tolkien ein immens wichtiger Teil der frühen Erzählungen, wirkt in Die Ringe der Macht deshalb wenig glaubhaft.
Das gilt natürlich nur für Kenner der Materie. Den weitaus meisten Zuschauern dürfte das ebenso egal sein wie das Vorhandensein von Eregion, das eigentlich erst von Galadriel gegründet wird und nicht schon existiert, die Bärte oder die Hautfarbe mancher Darsteller. Und die könnten sich lediglich darüber beschweren, dass die Serie aufgrund ihrer immens vielen Charaktere und Handlungsstränge ein wenig langsam aus den Startblöcken kommt. Die ersten Folgen verfügen über einige Highlights, noch ist die Mittelerde des Zweiten Zeitalters aber nicht so richtig in Fahrt. Das dürfte sich in den kommenden Episoden sicher noch ändern.
Fazit
Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht zeigt sich in den ersten beiden Folgen als das, was es sein will: eine optisch bombastische High Fantasy-Serie im Geiste J.R.R. Tolkiens. Die sich in vielen Details deutlich von den Vorgaben unterscheidet, die Atmosphäre und den Zauber Mittelerdes aber in jeder Sekunde einfängt. Puristen werden es wohl nicht mögen, aber einige von denen mögen auch Peter Jacksons Filme bis heute nicht. Zuschauer ohne dieses Vorwissen werden hingegen eine der besten Fantasy-Serien der Welt genießen können, die es bis heute gibt – und die mit einem blutigen und nackten Game of Thrones nur sehr wenig gemeinsam hat.