Mit Dragon’s Dogma gelang dem japanischen Edel-Entwickler Capcom im Jahr 2012 gleich zwei ungewöhnliche Dinge: Zum einen setzte der japanische Spiele-Hersteller hier auf ein europäisch anmutendes, mittelalterliches Setting, zweitens sollte das neuartige Action-Rollenspiel mit bisher unbekannten Gameplay-Elementen aufwarten. Im Kampf gegen riesige Monster, wie Zyklopen, Oger und Drachen kam nicht nur die Funktion zum Einsatz, die riesigen Biester erklettern zu können, sondern auch die Begleitung von drei computergesteuerten Gesellen zu beanspruchen. Die sogenannten Vasallen verhielten sich dabei fast so, als ob sie von menschlichen Spielern gesteuert wurden.
Erst als absoluter Geheimtipp gehandelt, entwickelte sich das ungewöhnliche Action-Rollenspiel über die folgenden Jahre dank der Macht des geflügelten Wortes zum absoluten Publikumsliebling. Und 12 Jahre später wurden die Bitten der zahlreichen Fans endlich erhöhrt. Kein geringerer als Hideaki Itsuno, der auch schon die Entwicklung des ersten Teils überwachte, saß abermals als Produzent am Ruder und präsentiert mit Stolz erfüllter Brust Dragon’s Dogma 2. Nach Final Fantasy 7 Rebirth ein weiterer Anwärter auf den Titel „Spiel des Jahres 2024“? Der Test klärt’s.
Produktdetails
- PC, PS5, Xbox Series S|X
- 74,99 Euro
- 22. März
- 80 – 170 Stunden
- Ab 16 Jahren
- 70 GB
Wer ist der Erweckte?
Ganz genau wie im Vorgänger ist die Ausgangsituation zum Start des rund 100-stündigen Abenteuers, die gleiche: Der Hauptfigur, die vom Spieler gesteuert wird, hat im Kampf gegen einen riesigen Drachen nicht den Hauch einer Chance: Sein Herz wird ihm von der sprechenden Echse aus der Brust, den Tod bedeutet das aber nicht. Denn der Erweckte bekommt die schier unlösbare Aufgabe, den Drachen zu finden, zu besiegen und das verlorene Herz wieder zurückzuerobern. Da das auf sich allein gestellt absolut nicht zu bewältigen ist, kreiert der Spieler bevor es losgeht einen Vasallen. Diese Kreatur wird ebenfalls im ausladenden Charakter-Editor erstellt und begleitet den Erweckten von nun an bei jedem Schritt seiner Reise.
Allerdings muss sich der Spieler zu Beginn nicht nur die Frage stellen, in der Haut welcher Charakterklasse er selbst losziehen will, auch der Vasall wird einer Zunft zugeordnet. Kämpfer mit Schwert und Schild, Zauberer, Dieb und Bogenschütze stehen zur Wahl, im späteren Spielverlauf kommen noch weitere Klassen mit ihren ganz eigenen Fähigkeiten hinzu. Keine Sorge: Die Klasse kann während des Abenteuers jederzeit gewechselt werden. Kann es nun endlich losgehen?
Vier Freunde sollt ihr sein!
Nicht ganz! Denn zwei Schwalben machen noch keinen Sommer, weitere Verstärkung muss her. Dafür nutzt der Erweckte die Fähigkeit, das Rift, eine in endlose Dunkelheit gehüllte Zwischendimension zu besuchen. Hier warten die Hauptvasallen anderer Spieler von Dragon’s Dogma 2 darauf, mitgenommen zu werden, im Kampf zu helfen und sich gleichzeitig neues Wissen über Monster, die Spielumgebungen und ihre zahllose Geheimnisse, sowie den Inhalt verschiedener Quests anzueignen.
Eine wirklich kongeniale Idee, denn die Vasallen, die vom Spieler für die nächsten Stunden ausgewählt wurden, erzählen den Spielern, denen sie gehören, bei ihrer Rückkehr ausladend von ihren Erlebnissen, zeigen auf versteckte Truhen oder wissen genau wo es lang geht, wenn eine Quest ausgewählt wird, die sie bereits kennengelernt haben. Hört sich kryptisch an? Das mag sein, ist allerdings eines der interessantesten und spaßigsten Merkmale des Spiels. Hat das Quartett zusammengefunden, geht es auf in ein unvergessliches Abenteuer.
Eine Welt voller Überraschungen
Die riesige Spielwelt von Dragon’s Dogma 2 besteht aus zwei gänzlich unterschiedlichen Gebieten. Zu Beginn wähnt sich er Spieler in den weiten einer schottisch anmutenden Umgebung: Das Gras auf den Hügeln und die Blätter der Bäume wiegen sanft im Wind, dichte Zauberwälder und verwunschene Höhlen laden zur Erkundung ein. Die Landkarte ist gesprenkelt mit kleinen Dörfern, Kiesgruben, am Meer schlagen meterhohe Wellen an die schroffen Felsen der Küste. Über der Hauptstadt thront das majestätisch anmutenden Königschloss. Auf dem Thron sollte eigentlich der Erweckte selbst sitzen. Doch ein Komplott der Königin hat dafür gesorgt, dass ein Hochstapler diesen Platz einnimmt. Das kann und wird der Erweckte nicht so stehen lassen, doch der Weg dahin ist mit schier unüberwindlichen Gefahren, zahlreichen Aufgaben und mit noch mehr aufregenden Monster-Kämpfen gepflastert.
Im krassen Gegensatz zu den Fantasy-Highlands präsentiert sich die Spielwelt südwestlich eines gigantischen und gut bewachten Tores: Das von den katzenartigen Beastren besiedelte Batthal erinnert mit seinen orangefarbenen, zerklüfteten Felsmassiven, tiefen Schluchten und kleinen Oasen an eine Mischung aus dem US-Bundestaat Utah und einer Wüstenlandschaft aus 1000 und einer Nacht. Die Bewohner hier sind mit der Magie, die das Land durchströmt, tief verbunden. Dem Erweckten muss es allerdings gelingen, die scheuen Katzenwesen ebenfalls auf seine Seite zu ziehen, um die düsteren Pläne der machthungrigen Monarchin zu durchkreuzen. Genau wie im erstem Spielgebiet, gibt es natürlich auch in Batthal viel zu entdecken und noch mehr zu bekämpfen.
Drei Klassen über dem Schwergewicht
Neben den beiden riesigen und völlig frei zu erkundenden Spielumgebungen, sind die Kämpfe in einem Action-Rollenspiel natürlich das Salz in der Suppe. Hier spielt Dragon’s Dogma 2 einen seiner größten Trümpfe aus. Denn kleine Horden angriffslustiger Goblins, zähnefletschender Wölfe oder hinterhältiger Banditen sind im Quartett schnell von der Platte geputzt. Doch leider, oder eher zum Glück, warten auch richtig große Kaliber darauf, den Boden zu küssen. Kämpfe gegen schwerfällige Zyklopen mit einem Kampfgewicht von über zwei Tonnen bei einer Körpergröße von knapp sieben Metern sind spaßig und machbar.
Bei ähnlichen Kalibern wie verärgerten Ogern, einem mächtigen Greif, einem Minotaurus im Berserker-Modus oder einer Zauber schleudernden Chimäre sieht die Sache schon ganz anders aus. Denn diese Biester können dem Gefolge oder auch der eigenen Spielfigur einem Schlag das Lebenslicht auspusten. Zwar kann der Erweckte hier in einem relativ großzügig bemessenen Zeitraum Wiederbelebungsmaßnahmen in Gang bringen, in der Hitze des Gefechts allerdings oft kaum machbar. Also ist größte Vorsicht geboten! Am besten kommt man den Ungetümen – wenn es die Klasse hergibt – so nahe, wie es nur geht. Im Fall von Dragon’s Dogma 2 bedeutet das: raufklettern. Einmal festgekrallt, zum Kopf oder anderen Schwachpunkten gekrabbelt – und schon sorgen ein paar krachende Schwerthiebe oder Zauber dafür, dass die Lebensleiste des Widersachers empfindlich abnimmt.
Jeder Kampf ein Erlebnis
Entschließt sich der Greif jedoch dazu, in die Luft aufzusteigen, bleiben nur noch Sekunden, um das atemberaubende Panorama auf dem Rücken des Riesenadlers zu genießen. Ist die Ausdauer am Ende oder wird der Spieler unsanft abgeschüttelt, dann bleibt der Flug zur Erde die letzte Erinnerung, bevor der gespeicherte Spielstand bemüht werden muss. Die wilden Kämpfe sind absolut einzigartig und präsentieren sich besser denn je: Bäume fallen krachend in sich zusammen, der Wind der Schwingen lässt das Gras tanzen, als ob gleich ein Hubschrauber landen würde und drumherum zucken Blitze oder Feuersbrünste eines Zauberspruchs, während sich das eigene Schwert tief in die Leiber der Monster bohrt.
Jeder Kampf ist hier ein absolutes Erlebnis und so unvorhersehbar, wie das Wetter am gleichen Tag im nächsten Jahr. Genau wie die Vasallen, scheinen die mystischen Wesen ein echtes Eigenleben zu führen – kein Kampf ist hier wie der andere. Die Unvorhersehbarkeit dieser epischen Kämpfe ist das absolute Aushängeschild von Dragon’s Dogma 2.
Eine Nacht zum Verlieben
Da die Wanderungen von einem dynamischen Tag- und Nachtwechsel eingerahmt werden, bricht die Dämmerung unweigerlich an, wenn die Erkundung mal wieder zu viel Zeit in Anspruch nimmt – was sehr oft passiert. Dann wird’s ungemütlich, denn erstens ist die Nacht hier stockdunkel, selbst der Schein der Laterne am Gürtel reicht dann weniger weit, als man spucken kann. Und zweitens tummeln sich in der Dunkelheit noch deutlich gefährlichere Monster, die aufgrund der ungünstigen Gegebenheiten noch schwieriger zu besiegen sind.
Allerdings, wie sollte es auch anders sein, lassen die Nachtschwärmer Crafting-Materialien fallen, die es am Tage nicht zu sammeln gibt. So sind die nächtlichen Ausflüge zwar absolut notwendig, aber besonders zu Beginn der Reise ist ein stärkendes Biest-Steak aus der Pfanne plus eine Mütze Schlaf, die deutlich bessere Lösung, die Nacht herumzubringen. Natürlich sind auch regelmäßige Übernachtungen in den im Spiel verteilten Herbergen eine sinnvolle Maßnahme, die allerdings mit hart erspielten Gold bezahlt werden muss.
Fazit
Schon so früh im Jahr kann man sich als Spieler vor hochkarätigen Spielen, die am Haushaltsbudget nagen, kaum retten. Dragon‘s Dogma 2 macht da keine Ausnahme. Hier ist die Spielwelt samt ihren schier unüberschaubaren Geheimnissen, Überraschungen und Monstern der Star. Dazu das brachial wuchtige Kampfsystem, dass den Spieler jeden Schlag förmlich spüren lässt. Die ungewöhnlich gute Physik beschreibt Masse, Geschwindigkeit und die daraus resultierenden Effekte so, wie es selten zuvor in einem Spiel dieser Art zu bewundern war.
Die Geschichte hält zwar bei der Stange, von den Sitzen reißen den Spieler in Dragon’s Dogma 2 aber eher Dinge, die sonst eher nebenbei zu erledigen sind. Dazu zählt die extrem spannende und lohnende Erkundung der weitläufigen Umgebung oder sich in einer Siedlung danach umzuhören, wer hier Hilfe gebrauchen könnte – denn Frage- oder Ausrufezeichen haben Questgeber ausnahmsweise mal nicht über dem Kopf.
Es ist die Mixtur aus Ungewöhnlichem, die Dragon’s Dogma 2 wohltuend aus der Masse der Action-Rollenspiele heraushebt. Technisch wäre, vor allem auf PS5 und Xbox Series X, sicherlich noch Raum für Verbesserungen, besonders die Bildwiederholrate ist weit von den erwünschten 60 Bildern pro Sekunde entfernt, hier muss sich der Spieler mit etwas mehr als 30 fps zufriedengeben. Wie auch schon der Vorgänger ist auch Dragon’s Dogma 2 in seinen Mechaniken etwas archaisch und sicherlich kein Spiel, das seine Qualitäten willfährig in den ersten Spielstunden preisgibt.
Wer sich auf diesen Deal einlässt und Lust darauf hat, eine sehr hübsch und abwechslungsreich gestaltete Spielwelt zu durchforsten und dabei die besten Kämpfe zu erleben, die ein Spiel dieser Art bieten kann, der ist hier genau richtig.
- PRO
- Fantastisches, wuchtiges Kampfsystem, viele verschiedene große und kleine Monster samt toller Animationen, unzählige Geheimnisse, riesige Spielumgebung, viele Möglichkeiten zur Entwicklung der Spielfigur, einzigartiges Vasallen-System.
- KONTRA
- Kein 60 fps-Modus auf den Konsolen.
IMTEST Ergebnis:
sehr gut 1,3
Final Fantasy 7 Rebirth im Test: Wenn aus Vergangenheit Zukunft wird
Der zweite Teil der Neuauflage setzt Maßstäbe.