Das Essener Entwicklerstudio “Piranha Bytes” macht Rollenspiele – seit mehr als 20 Jahren. Elex ist nach “Gothic” und “Risen” die bereits dritte Spiele-Serie der Piranhas. Warum das neue Spiel alte Stärken und Schwächen aufweist, erklärt der Test.
Produktdetails
- 44,99
- ab 12 Jahren
- PC
Die Handlung
Der Planet Magalan kommt nicht zur Ruhe. Jahre, nachdem Held Jax die Welt vom tyrannischen Hybriden befreit hat, wird Magalan von Aliens angegriffen, die in Meteoriten landen und alles attackieren, was sie sehen. Jax, Held des ersten Spiels, lebt inzwischen im Exil und bekommt die Invasion hautnah mit. Ein alter Mann rettet ihn und erteilt ihm den Auftrag, die anderen Fraktionen der Menschen auf Magalan aufzusuchen und sie im Kampf gegen die Aliens zu einen.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn die unterschiedlichen Lager bekämpfen sich lieber gegenseitig, als dem wahren Feind der Menschen ins Auge zu sehen. Und für Jax wird nicht nur die Suche nach der Wahrheit, sondern auch die Suche nach seinem vermissten Sohn zur emotionalen Herausforderung. Doch der Held gibt nicht auf, sammelt Erfahrung und entwickelt sich langsam wieder zu dem Kämpfer, der Magalan bereits einmal retten konnte.
Der Elefant im Raum
Die Bilder zeigen es und jeder, der es spielt, kann es kaum übersehen. Piranha Bytes nutzt noch immer die Grafik-Engine Genome, die das Studio selbst für Gothic 3 entwickelte, das 2006 erschien. Und die war damals schon nicht bahnbrechend. Im Jahr 2022 bei Elex 2 ist die Optik nicht einmal mehr mit viel gutem Willen als gelungen zu bezeichnen. Piranha Bytes legt nach eigenen Angaben stets viel Wert auf ihre Besonderheiten, die ihre Spiele von anderen unterscheide. Die Besonderheit einer hoffnungslos veralteten Grafik sollten die Essener aber nach diesem Spiel nun endgültig ad acta legen und am Erscheinungsbild ihrer Spiele arbeiten. Denn inhaltlich haben sie nach wie vor einiges zu bieten.
Wenn aber die Menschen, denen Jax begegnet, ihn größtenteils mit weit aufgerissenen Augen anstarren, als wären sie auf Drogen, die Umgebung aussieht, als hätte ein Hobbyprogrammierer sich an Bäumen und Felsen versucht und die monströsen Gegner eher albern als furchterregend wirken, dann wird es wirklich Zeit für etwas Neues. Zumal Piranha Bytes mit der Tradition, inhaltlich interessante und gehaltvolle Abenteuer zu präsentieren, ja gerne weitermachen darf. Aber bitte beim nächsten Mal etwas hübscher! Die Grafik ist jedenfalls bei Elex 2 die mit Abstand größte Schwäche.
Das Piranha-Prinzip
Böse Zungen behaupten, die Entwickler aus Essen veröffentlichten seit Beginn ihrer Karriere immer das gleiche Spiel. Und aus einer wenig freundlichen Perspektive ist da auch etwas Wahres dran. Denn seit Gothic leben ihre Games davon, dass der Held (also der Spieler) zu mehreren unterschiedlichen Fraktionen Kontakte knüpft, Beziehungen aufbaut und sich letztlich für ein davon entscheidet, um das große Problem angehen zu können, das jedem Spiel zugrunde liegt.
Das ist auch bei Elex 2 nicht anders. Mit den Albs, den Klerikern, den Outlaws, den Berserkern und den Morkons sind diesmal gleich fünf Fraktionen im Spiel, mit denen sich Jax mehr oder weniger gut stellen muss, will er deren Geheimnisse und Agendas erfahren. Das bedeutet viele Aufträge, die erledigt werden müssen und noch viel mehr Gespräche mit den einzelnen Mitgliedern der Fraktionen, um die Machtverhältnisse zu verstehen und an wichtige Infos heranzukommen. Und damit fühlt sich das Spiel gerade zu Beginn wie das umgekehrte “Elden Ring” an: Während in dieser Open World fast nur gekämpft und sehr wenig geredet wird, gilt in Elex 2 das gesprochene Wort in den ersten Stunden viel mehr als das Hau-Drauf-Prinzip.
Reden statt Hauen
Nicht nur, dass sich so erst viele Missionen freischalten. Die dringend benötigten Erfahrungspunkte, um Jax wieder in halbwegs ordentliche Verfassung zu bringen, so dass er in der Wildnis überleben kann, sind über diese Aufträge viel besser zu bekommen als durch ödes – und zu Beginn auch brandgefährliches – Monsterschlachten. Je nachdem, wohin sich der Spieler zu Beginn wendet, begegnen ihm bald Wesen, die ihn mit einem einzigen Schlag töten – ohne Vorwarnung. Auch hier sind die Parallelen zu Elden Ring deutlich, nur dass Elex 2 viel weniger Möglichkeiten bietet, solchen Ereignissen aus dem Weg zu gehen.
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Dazu kommt das alte Kampfsystem der Vorgänger, das Piranha Bytes hier weitgehend übernimmt. Und das immer noch so klobig und ungelenk daherkommt wie schon bei Gothic. Doch eine erfreuliche Neuigkeit gibt es: den Jet-Pack. Von Beginn an kann Jax kurze Strecken fliegen, später lässt sich das Gerät noch komfortabel ausbauen, sodass auch lange Flüge durch die Gegend möglich werden. Das erlaubt Flucht, Luftkämpfe, Erkundungen und vieles mehr in einer für ein Piranha Bytes-Spiel geradezu luxuriösen Art und Weise. Und macht auch noch richtig Spaß.
Lieber zu zweit
Neben Ausrüstung wie Waffen und Rüstungen, Heiltränken und Flugfähigkeit gibt es noch eine weitere Hilfe bei Kämpfen. Jax kann bestimmte Charaktere im Spiel auf seine Seite ziehen, die ihn dann begleiten, bis er sie wegschickt. Zwar lassen die sich weder ausrüsten noch steuern, aber schon ein zweites Ziel für Gegner erleichtert es dem Spieler, aus feindlichen Begegnungen als Sieger hervorzugehen.
Letztlich sind die Kämpfe wichtig, denn viele Missionen lassen sich ohne Prügeln nicht lösen und auch das Finale ist actionreich, aber gemessen in Spielzeit sind Kämpfe eher selten. Umso wichtiger, dass Jax darauf gut vorbereitet wird und das ist angesichts der postapokalyptischen Welt mit wenig Rohstoffen gar nicht so einfach. Ist der Spieler auf Magalan richtig angekommen, wird er sich in jeder neu entdeckten Siedlung erst einmal auf die Händler stürzen, um besseres Equipment zu ergattern, das die Überlebenschance erhöht.
Der Rollenspiel-Aspekt
Eine weitere Besonderheit von Piranha Bytes-Spielen sind die Talente des Helden, Zwar lassen sich zu jedem Stufenaufstieg zehn Punkte auf die fünf Attribute verteilen, wobei Fünferblöcke sinnvoll sind, weil je fünf Punkte sich ein Kampfwert verbessert. Aber was die zusätzlichen Fähigkeiten angeht, da gilt ein Sonderweg. Diese Punkte kann der Spieler nur dann ausgeben, wenn er in der Welt einen Lehrer findet, der bereit ist, ihm etwas beizubringen. Und die sind nicht immer das, was der Spieler erwartet.
So kann Stöpsel, ein kleiner Junge im Outlaw-Lager, Jax alles über Taschendiebstahl zeigen – wenn die Bezahlung stimmt. Nur wenn genug Punkte, genug Bares und ein Lehrer zusammenkommen, lassen sich bestimmte Talente lernen oder verbessern. Und das ist so kompliziert wie es klingt. Wer also beispielsweise Schlösser öffnen lernen möchte, um einen bestimmten Safe zu knacken, der muss erst den Lehrer entdecken, der das kann. Wenigstens gibt es im Spiel Transport-Stellen, die Reisen zwischen größeren Entfernungen in Nullzeit erlauben – der Rest ist zeitraubend.
Haben Spieler Moral?
Lange bevor das polnische Team CD-Projekt Red die Welt der Spiele mit Geralt von Rivia und der Abkehr von Schwarz-Weiß-Denken konfrontierte, waren die Essener Programmierer schon an moralischen Entscheidungen interessiert. Das ist auch in Elex 2 so geblieben. Immer wieder muss der Spieler Entscheidungen treffen, bei denen nicht Gut oder Böse im Vordergrund stehen, sondern jede Entscheidung gute und schlechte Seiten hat. Muss man die eine Fraktion betrügen, um bei der anderen voranzukommen? Kann man den Wunsch nach einer Spende abschlagen, obwohl man selbst kaum Geld hat und auf bessere Ausrüstung spart? Provoziert Jax seine Gesprächspartner lieber oder versucht er es auf die nette Tour?
Das Spiel kommentiert jede Entscheidung des Spielers mit einer Erhöhung oder Senkung des Zerstörungswerts, der allerdings nirgendwo einsehbar ist. Je höher dieser Wert ansteigt, desto mehr wirkt er sich auf das mögliche Ende des Spiels aus. Wer sich also benimmt wie die Axt im Walde, muss sich im Finale vielleicht mit weniger Unterstützung zufriedengeben oder kann manche Ziele gar nicht mehr erreichen. Das erhöht nicht nur den Wiederspielwert von Elex 2, sondern trägt unverkennbar die Piranha-Handschrift, die sich schon früh trauten, den Spieler moralisch zu beeinflussen – und das bis heute tun.
Wenn sich die Mühe lohnt
Wie so oft bei ihren Spielen, machen die Essener Neulingen den Einstiegt nicht leicht. Viel aus Teil eins wird zum Start nicht erklärt, die Kämpfe sind zu Beginn hart, es gibt kaum Hinweise, wohin sich der Spieler wenden soll, um auf andere Menschen zu treffen. Dazu lassen sich manche Missionen nicht erfüllen, weil die dazu nötigen Gespräche einfach nicht stattfinden können, der Spieler wird mit einem “jetzt nicht” abgespeist. Simples Abarbeiten von Quests funktioniert hier also nicht.
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Stattdessen braucht es viele Gespräche und nachfragen, um Missionen zu finden und die richtige Reihenfolge herauszufinden, wie sich Aufträge bei einer Fraktionen machen lassen. Das muss man nicht mögen, aber auch das hat seinen spielerischen Reiz. Elex 2 verlangt eben ein tieferes Eintauchen in die Welt, um wirklich befriedigendes Spielerlebnisse zu generieren. Fans des Studios wissen das längst, Neulinge müssen ausprobieren, ob ihnen dies Art Spiel gefällt oder nicht. Denn minutenlanges, planloses Herumlaufen in einer Siedlung gehört dann eben dazu.
Geduld ist hier eine Tugend und schnelles Durchklicken von Dialogen kann bedeuten, wichtige Infos zu überlesen. oder zu überhören. Denn jeder Dialog im Spiel ist vertont und die meisten Synchronstimmen machen dabei einen richtig guten Job. Und die zum Teil echt unhöflichen Antworten, auch ein Markenzeichen der Piranhas, sind ebenfalls wieder dabei.
Aus alle diesen Gesprächen formt sich dann langsam nicht nur ein Bild einer komplexen Gesellschaft, die Entwickler nehmen sich auch die zeit, über große Fragen zu philosophieren, nicht nur über Moral. So wird der Wert oder Unwert von Emotionen diskutiert oder der Sinn von Gewalt zum Thema gemacht. und das auf eine Art, die eben nicht flach und aufgesetzt wirkt, sondern von echtem Interesse für die Materie durchflutet ist. In diesen Momenten entwickelt Elex 2 seine größte Wucht.
Fazit: Sperrig und speziell – aber reizvoll
Mit Elex 2 bekommt der Käufer ein typisches Piranha Bytes-Spiel. Das Essener Studio ist bekannt für ihre eigene, inzwischen hoffnungslos veraltete Optik und die hakelige, ungenaue Steuerung. Aber auch für das Erschaffen komplexer Welten, in denen es für den geduldigen Spieler eine Unmenge an Geschichten, Hintergründen und Abenteuern zu entdecken gibt. Und in denen sehr viel mehr gesprochen als gekämpft wird. Wer sich davon angesprochen fühlt, kann trotz ordentlicher Einstiegshürden ein wirklich schönes Spielerlebnis bekommen. Aber das hat eben seinen Preis.
- PRO
- viele spannende Dialoge, ein komplexes Gespinst aus unterschiedlichen Fraktionen muss entwirrt werden, forderndes Spielprinzip
- KONTRA
- altbackene Grafik, mäßige Steuerung, wenig Hinweise auf Ziele und Wege dorthin
IMTEST Ergebnis:
befriedigend 2,6