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Avenger im Test: Der erste Jeep für den Großstadtdschungel

Mit dem Avenger geht Jeep neue Wege. Aber wie gut fährt er sich?

Der Jeep Avenger 1st Edition am Strand
© Stellantis

Was kommt Ihnen bei dem Gedanken an einen Jeep in den Sinn? Allradantrieb, Offroad-Abenteuer, klassisches Design, die Vereinigten Staaten? Mit all dem hat der neue Jeep Avenger (zu Deutsch „Rächer“) nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein erstaunlich kleines Elektroauto mit Frontantrieb, das in Europa von Stellantis entwickelt und in Polen produziert wird. Das muss aber nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Lesen Sie, wie sich der Avenger im Test schlägt.

Produktdetails

  • 5-türig / Kompakt-SUV
  • Antrieb/Tempo: Frontantrieb/ 150 km/h
  • max. Leistung in kW (PS): 115 (156)
  • ab 37.500 Euro

Avenger: Schaf im Wolfspelz

Als Elektroauto aus dem Stellantis-Konzern ist der Avenger in gewisser Weise mit dem batteriebetriebenen Opel Mokka-e und dem Citroen DS 3 Crossback E-Tense verwandt. Durch sein Design mit der bulligen Schnauze hebt er sich jedoch deutlich von der hausinternen Konkurrenz ab. Ferner griffen die Entwickler viele aktuelle und frühere Jeep-Elemente auf und verpackten diese in eine moderne Optik. Und auch wenn der Elektro-Avenger weder über Allrad-Antrieb noch Differenzialsperre verfügt, strahlt er doch Robustheit aus. So sind Lampen und die lackierten Bleche rundum durch Kunststoff geschützt, so dass bei einem leichten Rempler keine teuren Reparaturen anstehen. Das ist nicht nur in der freien Natur praktisch, sondern auch in der rauen Umgebung eines Supermarktes.

Jeep Avenger Front
Die typische Jeep Grilloptik mit sieben Schlitzen ziert auch die Front des Avengers.

Kurze Überhänge und eine respektable Bodenfreiheit (mindestens 200 mm und 230 mm unter der Batterie) sorgen zumindest auf dem Papier für eine ordentliche Geländegängigkeit. Die Wasserdurchlässigkeit beträgt 230 mm, was der halben Höhe der Schienbeine entspricht und somit eine ziemlich tiefe Pfütze bilden würde. Unabhängig davon ist das bevorzugte Terrain des Avengers eindeutig der urbane Raum. Denn für einen Jeep ist der Avenger erstaunlich kompakt. Mit 4,08 m ist er kürzer als der benzinbetriebene Renegade aus dem eigenen Haus und die meisten anderen kleinen Crossover. Fun Fact: Der einzige Jeep, der kleiner war als der Avenger, war der originale Willys.

Die Batterie verfügt über 51 kWh, der Motor über maximal 156 PS. Die WLTP-Reichweite gibt Jeep je nach Bereifung mit 389 bis 404 Kilometer an. IMTEST testete die Version Altitude, die zweithöchste der vier Ausstattungsstufen. An Bord sind hier Extras wie ein Abstandsregeltempomat, Keyless Entry, eine automatische Heckklappe und 17 Zoll-Alufelgen. Aufpreispflichtig waren beim Testwagen die Ganzjahresreifen, die nur in der Altitude-Baureihe mit 17-Zoll-Felgen angeboten werden (Testwagenkaufpreis: 41.000 Euro).

Neuer Elektroantrieb, hohe Reichweite?

Der Jeep Avenger ist nicht nur äußerlich eine komplette Neuentwicklung. Im Inneren steckt der modernste elektrische Antrieb aus dem Stellantis-Konzern, inklusive neuem Permanentmagnetmotor, neuen Batteriezellen und serienmäßiger Wärmepumpe. Diese Teile werden wir demnächst auch in anderen Stellantis-Fahrzeugen sehen. Was bringt das in der Praxis? Nach rund 500 Testkilometern mit einem ausgewogenen Mix aus Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn pendelte sich der Verbrauch (bei sommerlichen Temperaturen) bei 14,1 KWh und einer Reichweite von 361 Kilometern ein. Allerdings stieg der Verbrauch auf der Autobahn aufgrund des suboptimalen Cw-Werts deutlich an. Wer vor allem im Stadtverkehr und auf Landstraßen unterwegs ist, kann allerdings deutlich unter 13 KWh verbrauchen – ein guter Wert.

Jeep Avenger Altitude
Durch die großen Radkästen wirken die 17-Zoll-Alufelgen der Altitude-Linie etwas mickrig. © IMTEST

Avenger: Kein Rächer an der Ampel

Dabei schlägt der Avenger allerdings keine Wellen in den Asphalt. 156 PS (192 Nm) für so ein kleines Auto mit verhältnismäßig schlanken 1.595 Kilo Gewicht sind für den Alltag zwar mehr als ausreichend, die maximale Leistung steht aber nur im Sport-Modus zur Verfügung. Im “Normal”-Modus sind es 109 PS beziehungsweise 162 Nm, im “Eco”-Modus muss man sich mit 82 PS und 132 Nm begnügen. Clever immerhin: Egal welcher Modus aktiviert ist, bei einem Kickdown steht stets die volle Motorleistung bereit. Den berühmt berüchtigten Elektro-Punch bietet der Avenger selbst im Sport-Modus nicht, von null auf hundert in 9 Sekunden sind für ein Elektroauto eher unterer Durchschnitt.

Weder besonders positive noch negative Meldungen gibt es rund ums Thema Ladegeschwindigkeit: An einer 11 kW-Wallbox ist der Avenger in spätestens fünfeinhalb Stunden komplett gefüllt. Maximal lädt der Jeep mit 100 kW Gleichstrom und lädt hier in knapp einer halben Stunde von 10 bis 80 Prozent. Schwach sind allerdings die Ladefunktionen. Es ist nicht möglich, die Ladeleistung zu drosseln oder die Ladung auf einen bestimmten Wert einzustellen, zum Beispiel 80 Prozent. Hoffentlich bessert Jeep hier noch nach.

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Avenger: Entspanntes Fahrvergnügen

IMTEST hat den Avenger nicht im Gelände getestet. Nur so viel: Mangels Allradantriebs kann er offroad natürlich nicht mit Geländewagen wie dem Jeep Wrangler mithalten. Wie bereits erwähnt hat er aber mehr Bodenfreiheit und kürzere Überhänge als die meisten seiner Konkurrenten. Das bedeutet, dass man an steilen Hängen weniger Gefahr läuft, mit der Nase oder dem Heck aufzuschlagen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Fahrmodi, mit denen sich die Traktionskontrolle an unterschiedliche Untergründe wie Schlamm, Sand oder Schnee anpassen lässt. Auch das konnte IMTEST aufgrund des sommerlichen Wetters nicht ausprobieren.



Wovon sich die Tester aber überzeugen konnten, waren die Fahreigenschaften des Jeep Avenger auf Asphalt. Hier macht er eine sehr gute Figur. Die leichtgängige Lenkung und der relativ kleine Wendekreis machen das Fahren zum Vergnügen. Dazu kommt, dass er sanft und vorhersehbar Gas gibt und gefühlvoll bremst. Die leichtgängige Lenkung hat aber auch ihre Schattenseiten: Sie fühlt sich manchmal synthetisch an und lässt den direkten Kontakt zur Straße vermissen. Auch schnelle Kurvenfahrten sind nicht die Spezialität des Avenger. Unabhängig davon macht das Fahrwerk einen sehr erwachsenen Eindruck: Es bügelt Unebenheiten unaufgeregt weg, ist aber auch nicht zu weich. Dazu ist der Avenger leise unterwegs, selbst auf der Autobahn stören weder Reifen- noch Windgeräusche übermäßig. Echtes One-Pedal-Driving ist mit dem Avenger allerdings nicht möglich. Zwar gibt es einen B-Modus, bei dem der Fahrer das Bremspedal nur selten braucht, aber ganz zum Stehen kommt der Avenger dadurch nicht – Geschmackssache.

Avenger Heck
Der Avenger ist rundum mit Kunststoff geschützt, so dass bei einem leichten Zusammenstoß keine teuren Reparaturen anfallen. © IMTEST

Viel Hartplastik im Innenraum

Licht und Schatten im Inneren. Einerseits steckt der Avenger voller pfiffiger Details, andererseits setzt Jeep an vielen Stellen auf Hartplastik, etwa bei den Türverkleidungen. Das fühlt sich nicht überall gut an. Umso besser gefallen das dicke Lenkrad (ab Altitude) und die recht straffen, aber dennoch bequemen Sitze. Dank der vielen Verstellmöglichkeiten an Sitz und Lenkrad findet man schnell eine gute Position. Einziger echter Wermutstropfen: Die Sitze bieten selbst in der höchsten Ausstattungsstufe Summit weder eine Lordosenstütze noch elektrische Verstellmöglichkeiten.

Die Rundumsicht ist dank der relativ hohen Fenster gut. Parksensoren hinten sind ab “Longitude” Standard, und wer sich für das Topmodell Summit entscheidet, bekommt zusätzlich Sensoren vorne und an den Seiten sowie eine Rückfahrkamera. Alle Ausstattungsvarianten sind zudem mit einem 10,25-Zoll-Infotainment-Touchscreen ausgestattet, Navi, kabelloses Apple CarPlay und Android Auto inklusive. Der Bildschirm ist hoch im Armaturenbrett platziert und dadurch stets im Blickfeld. Dank des intuitiven Betriebssystems, der schnellen Reaktion auf Eingaben und zusätzlicher analoge Tasten, etwa für die Klimatisierung, lässt die Bedienung wenig Anlass zur Kritik.

Innenraum Jeep Avenger
Im Innenraum gibt es viele Ablagemöglichkeiten, Jeep spricht von 34 Liter Stauvolumen. © IMTEST

Avenger: Der zweitkleinste Jeep aller Zeiten

Der Avenger ist wie bereits geschrieben für ein Elektro-SUV geradezu winzig. Er ist kaum länger als ein VW Polo und mehr als 20 Zentimeter kürzer als der Peugeot e-2008, mit dem er sich ebenfalls die Plattform teilt. Zum Familienauto des Jahres wird der Jeep Avenger deshalb sicher nicht gekürt. Die Beinfreiheit im Fond ist beispielsweise knapp bemessen. Bis zu einer Körpergröße von etwa 1,80 m passt man zwar hinein, aber dann drücken die Knie schon ziemlich heftig gegen die immerhin weiche Rückenlehne des Vordersitzes.

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Der Kofferraum fasst 355 Liter und ist damit ebenfalls übersichtlich. Für einen Supermarkteinkauf oder einen Wochenendausflug reicht er aber aus. Einen Frunk gibt es nicht, immerhin befindet sich unter dem Kofferraumboden ein kleiner Stauraum (etwa für die Ladekabel). Wird mehr Platz benötigt, lassen sich die Rücksitze im Verhältnis 60:40 umklappen und so das Fassungsvermögen auf 1.275 Liter erhöhen. Besser sieht es vorne aus. Der Avenger bietet nicht nur viel Kopf- und Beinfreiheit, sondern auch reichlich Stauraum – insgesamt 34 Liter. Dazu gehören ein großes Fach unter dem Armaturenbrett (mit Magnetklappe), mehrere Getränkehalter und ein weiteres Fach unter der Mittelarmlehne.

Fazit

Ein Mini-Jeep aus Polen mit Elektroantrieb? Das hat mit einem typischen Jeep nicht mehr viel zu tun. Ebenso wenig wie ein Porsche Cayenne mit Porsche. Doch im Fall des Jeeps macht das neue Konzept Sinn. Denn der Avenger ist ein rundum gelungenes Stadtauto, das mit kompakten Abmessungen, angenehmen Fahreigenschaften und niedrigem Verbrauch glänzt.

  • PRO
    • Hoher Fahrkomfort, für einen Kleinwagen respektable Reichweite
  • KONTRA
    • Viel Hartplastik, bedingt geländetauglich

IMTEST Ergebnis:

gut 2,3

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.