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Windows 11 im Vorabcheck: Neue Optik, alte Zöpfe

„Windows 11“ soll neben einer neuen Optik und Bedienung auch unter der Haube Neues bieten. IMTEST hat sich eine Vorabversion genau angeschaut.

Das Microsoft Logo in weiß auf blauem Grund
Credits: Microsoft © Microsoft

Microsoft wird heute Windows 11 vorstellen (IMTEST berichtet). Dabei prophezeite ein Chefentwicklers im Jahre 2015: „Windows 10 ist die letzte Version von Windows“. Der ursprüngliche Plan war, Windows 10 im Halbjahrestakt lediglich um neue Funktionen zu ergänzen. Nach 6 Jahren mehr oder weniger lauwarmer Updates wird es jetzt aber wieder richtig spannend: Microsoft will sein Betriebssystem komplett runderneuern. Seit nunmehr zwei Jahren werkelt das Unternehmen im stillen Kämmerlein an einer völlig neuen Version mit neuem Bedienkonzept und zahlreichen neuen Funktionen im Hintergrund. Nun ist Microsoft eine noch unfertige Version aus den Entwicklungslaboren entwischt. IMTEST hat die Version installiert, genauer unter die Lupe genommen und gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was will Microsoft mit Windows 11 bezwecken?

Microsoft gerät unter Konkurrenzdruck: Apple verkauft laut Gartner mittlerweile knapp 25 Millionen Macs pro Jahr und hat sein Verkaufsvolumen verdoppelt. Google räumt mit seinen günstigen und einfach zu bedienenden Chromebooks den Markt ordentlich auf und verkaufte 11 Millionen Geräte im ersten Quartal 2021 (Quelle: Canalys). Sprich: Die Konkurrenz in Form von  MacOS und ChromeOS gewinnt immer mehr Benutzer: MacOS Big Sur setzte Ende 2020 auf zahlreiche Privatsphäre-Funktionen und eine flottere Bedienung. ChromeOS wurde weiterhin vereinfacht, sodass auch PC-Neulinge prima damit zurechtkommen. Microsoft will mit Windows 11 dagegenhalten und konzentriert sich auf eine zugänglichere Bedienung und will auch auf kostengünstigen Chromebook-Alternativen flüssig laufen.

Die neue Optik: „Rund“ erneuert

Als erstes fällt die brandneue Optik ins Auge: Die Oberfläche erscheint in einer neuen acrylblauen Farbgebung mit einem zentrierten und freischwebenden Startmenü:

Mit runden Ecken und moderner: Die neue Oberfläche von Windows 11. Quelle: IMTEST

Ähnlich wie bei der Konkurrenz von Apple und Google ist die Startleiste nun zentriert. Das erfordert zunächst eine Umgewöhnung. Schließlich sind Windows-Nutzer daran gewöhnt, per Klick links unten das Startmenü zu öffnen. Immerhin lässt sich mit einem (noch) versteckten Schalter das Startmenü wieder linksbündig versetzen.

Häufig verwendete Dokumente sind nun auch direkt im Startmenü zu sehen, sodass Sie (ähnlich wie bei Office) direkt Notizen, Word-Dokumente oder Fotos auswählen können, die Sie besonders oft benötigen oder zuletzt geöffnet haben.

Vorbei sind zudem die Zeiten der Live-Kacheln: Das Startmenü ist wieder mit traditionellen Symbolen versehen. Allerdings verzichtet Microsoft nicht auf gesponsorte Partnerschaften, man könnte auch Werbung sagen: Vorinstalliert sind Apps wie Twitter, Spotify, Netflix, PicsArt und PhotoShop Elements. Wer diese nicht benötigt, kann diese allerdings per Rechtsklick einfach deinstallieren.

Ab Werk sind bei Windows 11 viele Programme vorinstalliert. Quelle: IMTEST

Neu sind zudem schwebende Menüelemente, die sich etwa im Startmenü als auch Benachrichtigungen finden. Die Zeiten von flachen Menüs sind vorbei, alles wirkt dreidimensional und greifbarer. Außerdem wirken Bedienflächen und Symbole dank größeren Abständen etwas „luftiger“. Das Ganze erinnert stark an die Optik von MacOS und ChromeOS. Unabhängig davon  hinterlässt die Bedienung von Windows 11 in der Praxis einen geschmeidigen Eindruck. Es macht „Spaß“, mit Windows zu arbeiten.

Windows 11: Einfache Verwaltung von Fenstern

Wer gerne mit vielen Fenstern arbeitet, wird sich Windows 11 schnell anfreunden: Beim Bewegen des Mauszeigers über das Maximieren-Symbol lassen sich beispielsweise alle geöffneten Programme und Fenster nun nach Geschmack anorden.

In diesem Beispiel wird in der Drittelansicht ein großes Fenster links vertikal aufgezogen und zwei Fenster rechts oben und rechts unten quadratisch angeordnet. Quelle: IMTEST

Das Ergebnis: Ein großes Fenster links, zwei kleine Fenster rechts. Quelle: IMTEST

Virtuelle Desktops feiern ein Comeback

Genau wie bei Windows 10 ordnet Windows 11 nach einem Klick auf das „Task View“-Symbol in der Startleiste alle geöffneten Fenster nebeneinander an. Im unteren Rand bietet Microsoft dann allerdings noch prominenter als zuvor an, weitere Desktops zu erstellen. Damit lässt sich etwa Arbeit von Hobby trennen, indem auf einem Desktop nur Office und Word geöffnet und auf einem anderen Desktop etwa Spiele und YouTube zu finden sind.

Virtuelle Desktops gibt es auch in Windows 11. Quelle: IMTEST.

Die Widgets sind zurück

Viele Windows-Nutzer vermissten die so genannten „Gadgets“, die sich auf dem Desktop von Windows Vista platzieren ließen.

Live-Infos rund um Nachrichten, Wetter und Börsenkurse ließen sich bei Windows Vista direkt auf dem Bildschirmhintergrund einblenden. Quelle: IMTEST
In Windows 11 gibt es mit den Widgets eine ähnliche Funktion. Quelle: IMTEST

Diese scheinen nun ein Comeback zu feiern, nachdem sie in Windows 7 gut versteckt und dann in Windows 8/10 komplett entfernt wurden. Beim Klick auf das „Widgets“-Symbol in der neuen Windows 11 Startleiste öffnen sich Wetter, Nachrichten, Aktien und Nachrichten „Widgets“, die aktuell noch sehr an die bei Windows 10 aktuell verteilte Nachrichtenleiste erinnert. Allerdings gibt es erste Anzeichen für weitere Widgets, die von Drittherstellern entwickelt werden. So könnten bald Widgets wie Notizen oder eine Ressourcenanzeige erneut Einzug halten.

Windows 11: Mehr Leistung für neue und alte PCs

Neben der neuen Oberfläche hat Microsoft auch unter der Haube gefeilt. Zum einen soll Windows 11 auch auf älteren und deutlich schwächeren PCs laufen. Im Quellcode gibt es versteckt Hinweise auf eine „SE“-Version (steht vermutlich für Small Edition), die weniger Komponenten installiert und in Sachen Einstellungen eingeschränkt ist. Aber auch Optimierungen für hochmoderne PCs sind vorhanden: Auf Rechnern mit neuer Prozessorarchitektur von Intel (Tiger Lake) gibt es einen kleinen Leistungsgewinn. In ersten Tests konnte IMTEST auf einem entsprechend ausgerüsteten Laptop (11900H, 32 GB Speicher, Geforce 3080) folgenden Leistungsvergleich zwischen einem frisch installierten Windows 10 und 11 durchführen. Das Ergebnis:

Geekbench Single

  • Single: 1629 (W10)
  • Single: 1781 (W11)

Geekbench Multi

  • Multi:  9592 (W10)
  • Multi:  9812 (W11)

Die Ergebnisse konnte IMTEST in mehreren Testläufen bestätigen. Es zeigte sich ein Leistungsgewinn von nahezu 10 Prozent. Zu freu sollte man sich aber nicht freuen. Es ist etwa möglich, dass die Vorabversion von Windows 11 noch wesentlich schlanker als das fertige Produkt sein könnte. Ob Windows 11 also tatsächlicher schneller ist, wird erst ein Test der finalen Version zeigen.

Windows 11: Altlasten weiter im Schlepptau

Im Prinzip handelt es sich bei Windows 11 trotzdem um Windows 10 mit einer aufgehübschten Oberfläche. In der aktuellen Vorabversion von Windows 11 finden sich nach wie vor zahlreiche Uralt-Menüs und Funktionen, die teilweise seit Windows 95 und NT (1994) existieren:

Die gute, alte Systemsteuerung ist bei Windows 11 immer noch an Bord. Quelle: IMTEST

Beispiel „Systemsteuerung“: Die Systemsteuerung war Jahrzehnte lang die zentrale Anlaufstelle für die Windows-Einstellungen. Mit der Einführung von Windows 8 hat Microsoft dann ihr Ende eingeläutet, stattdessen sollten die „Einstellungen“ ihre Aufgabe übernehmen. Dieser Prozess ist allerdings noch immer nicht abgeschlossen, die Systemsteuerung ist immer noch da, auch in Windows 11. Sie wird wohl sogar aufgefrischt und soll einen echten dunklen Modus und farbige Schaltflächen bekommen. Zudem ist eine neue übersichtlichere Anordnung angedacht. Funktionell soll sich dagegen kaum etwas ändern. Die Frage bleibt: Warum schafft es Microsoft seit inzwischen fast 10 Jahr lang nicht, „Einstellungen“ und „Systemsteuerung“ zu vereinen?

Windows 11: Neues unter der Haube

Abseits von allen geplanten optischen Verbesserungen hat Microsoft auch unter der Haube einige neue Funktionen eingebaut.

  • Neue Grafiktechnologie: Windows 11 unterstützt die „WDDM 3.0“ genannte Technologie zum Ansteuern von Grafikkarten. Diese verspricht etwas mehr Leistung, was sich beim Spielen und Bearbeiten von Video bemerkbar machen dürfte.
  • Skype ist in der aktuellen Vorabversion von Windows 11 nicht mehr vorinstalliert. Stattdessen gibt es im Quellcode erste Hinweise auf eine Integration des Konferenzprogramms Microsoft Teams.
  • Unterstützung für ARM-Prozessoren: Windows 11 wird auch auf stromsparenden ARM-Prozessoren einsetzbar sein. Diese kommen meist ohne Lüfter aus und eignen sich besonders für leichte Büroaufgaben und bieten hervorragende Akkulaufzeit.
  • Spatial Audio: Für besonders akkuraten Raumklang sorgt diese Audiotechnik, die Töne gezielter im Raum verteilen kann – ob nun im Kopfhörer oder mit einem entsprechend ausgerüsteten Dolby Atmos-Surroundsystem.

Gibt es Windows 11 kostenlos?

Wahrscheinlich ist, dass es Windows 11 für Nutzer von Windows 10, 8.1 und sogar 7 kostenlos geben wird. Schließlich betont Microsoft immer wieder, wie viele Windows 10-Nutzer man habe, diese Zahl scheint dem Unternehmen demnach sehr wichtig zu sein. Im Zuge der Veröffentlichung im Herbst dürfte Microsoft also auch Nutzer alter Betriebssysteme wie Windows 7 wieder zum Umstieg motivieren wollen – auch aus Sicherheitsgründen. 

Fazit

Die Vorabversion von Windows 11 erlaubt einen ersten Einblick auf die neuen Funktionen von Windows 11. Optisch tut sich viel, aber auch unter der Haube gibt es Hinweise auf dezente Verbesserungen. Am 24. Juni um 17 Uhr deutscher Zeit wissen wir mehr: Microsoft wird endgültig die Katze aus dem Sack lassen und eine erste offizielle Version von Windows 11 vorstellen. IMTEST hält Sie mit aktuellen Neuigkeiten und einem ausführlichen Testbericht auf dem Laufenden.

Sandro Villinger

Als freiberuflicher Redakteur testet Sandro Villinger für IMTEST Hardware, insbesondere Projektoren, Dashcams, IP-Kameras, Laptops oder Spiele-PCs. In diesem Bereich liegt auch seine persönliche Leidenschaft. Seit 12 Jahren ist Sandro Villinger für Softwarefirmen als Manager von Produktentwicklung, Innovation und Marketing tätig. Währenddessen schrieb er viele Jahre für Publikationen wie PC-Praxis, Computerbild und auch Medien wie PCWorld in den USA. Er wurde für seine Arbeit von Microsoft mehrfach ausgezeichnet, schrieb Bücher für Microsoft Press und arbeitete viele Jahre für die Hauptniederlassung des Softwareriesen in Seattle. Sie erreichen ihn via E-Mail.