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Auch nur drei Kilometer sind ein Grund zum Feiern

Höher, schneller, weiter. Alles Unsinn, findet unser Kolumnist.

Ich habe heute früh Morten getroffen. Er hat über Jahrzehnte hinweg seinen Körper gestählt, war teilweise zweimal pro Tag im Fitness Studio. Morgens Cardio, am Abend hat ging es dann zum „Eisen fressen“. Gewichte waren seine Meditation, das Laufen notwendiges Übel, aber er war sehr ambitioniert. Den ein oder anderen Wettbewerb ist er gelaufen, und er war wirklich einer von denen, die gerne geballert haben. Egal ob Kilometer oder Gewichte. Seit zwei Jahren geht nichts mehr. Die Motivation ist „gone, gone, gone“. Morten hat ein Haus gebaut, zusammen mit seinem Mann kümmert er sich um den riesigen Garten, den Hund, und sie genießen das Leben. Dazu kommt, dass er arbeitet wie ein Tier. Was ihn am meisten nervt, ist die Tatsache, dass er seit zwei Jahren keine, absolut keine Motivation mehr findet, zurück in den Sport zu finden. Ist der Tag auch noch so sonnig und schön, er schafft es nicht, die Laufschuhe anzuziehen. Das lässt ihn beinahe verzweifeln, denn er findet den Schalter einfach nicht. Als ich ihn traf, fragte er mich, wie es mir geht. Ich jubelte, denn ich konnte ihm berichten, dass ich diese Woche wirklich jeden Tag laufen war. Mal 5, mal 8, mal 10, mal 15 Kilometer, so wie ich mich gerade fühlte. „Well done“, sagte er traurig. Und doch spürte ich, dass irgendwas in ihm tickte, während wir sprachen. 



Morten geht laufen

Während ich mir von seinem Partner die Haare schneiden lies, rief Morten von unten: „Ich bin mal kurz weg. Ich gehe laufen.“ „Viel Spaß, rief mich mit einem leisen Grinsen“. Ich hatte mich also nicht getäuscht. Es brauchte unsere kleine Unterhaltung, und Morten war plötzlich motiviert. Er war wirklich nicht lange unterwegs, es waren am Ende drei bis vier Kilometer, aber ich feierte ihn massiv, als er fröhlich wieder zurück war. Glücklich erzählte er, wie es am Strand war, als er dort vorbei lief, kam plötzlich Wind auf. Eine leichte Brise verschaffte ein wenig Kühlung, denn die Sonne brennt seit Tagen recht stark von oben herunter. Das Wichtigste aber: Morten sah einfach unglaublich glücklich aus. „Mikey, vielleicht habe ich unseren Moment heute Morgen einfach gebraucht. Ist bei mir schon immer so gewesen, ich benötige den Wettbewerbsgedanken. Nicht, dass es wichtig ist, wer nun schneller den Marathon laufen kann. Aber es ist schön zu wissen, dass da jemand recht viel läuft, den ich eventuell einholen kann, damit ich mich auch so gut fühle.“

Und darauf kommt es an

Gerade der letzte Satz machte mich unendlich froh. Denn genau darum geht es: Wir sollen und wir müssen uns gut fühlen. Es ist völlig egal, wie weit und wie schnell wir laufen. Es liegt ein wenig in der Natur der Sache, dass wir uns mit anderen immer wieder messen wollen. Und ich gebe es zu, lange hat es mich beeindruckt, wenn ich Läufer bei Instagram sah, die über ihre Ballerei berichtet haben. Die einen Ultra-Marathon nach dem nächsten finishten. Die gefühlt jeden Wettbewerb liefen, und immer krassere Leistungen vollbrachten. Der Jubel in den sozialen Netzwerken war ihnen sicher. Auf der anderen Seite taten mir genau diese Läufer auch unendlich leid, denn es drängte sich der Verdacht auf, dass sie sonst recht wenig Applaus im Leben bekamen, und die Laufleistung die einzige Wertschätzung ist, die sie ergattern können. Das birgt eine gewisse Tragik. Das ist nicht nur bei den Profis und Halbpofis so, das ist auch der Eindruck, den ich von vielen Hobbyläufern habe. Wofür brauchen wir die Darstellung? Was können wir uns vom digitalen Applaus kaufen? Ich glaube sogar, dass diese Höchstleistungen eher dazu führen, dass viele derer gefrustet sind, die die Anfang nicht schaffen. Deren innere Startlinie dann sofort zerstört wird. 

Geht raus, und lauft drei!

Und alle die möchte ich mit dieser Kolumne heute einsammeln. Alle, die kleine Mortens sind. Alle, die es eher abschreckt, welche Höchstleistungen da angeblich jeden Tag bei Insta&Co vollbracht werden, euch sei gesagt: Jeder Kilometer macht euch besser, fitter, gesünder, stärker. Sowohl körperlich, wie mental! Und wenn es nur drei Kilometer sind, und wenn es so ist, dass ihr diese 3 mal im Gehen, mal im Laufen absolviert, jeder Anfang ist so wichtig. Jedes Kilo, dass ihr verliert, wird das Herz euch danken. Jeder Muskel der angesteuert wird, wird gekräftigt und gibt euch Halt. Hört nicht auf die Ballerer, seid einfach ein Morten! Hinaus mit euch! Feiert euch!


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